MIT KOMMENTAR: Kerkhoff kalkuliert Kosten für Bürgerbegehren gegen Radschnellweg mit 4,3 Millionen Euro



Sollte ein von inzwischen zwei Initiativen in Bocholt angestrebtes Bürgerbegehren gegen den elf Millionen Euro teuren Radschnellweg zwischen Bocholt und Rhede Erfolg haben, dann würde das den Steuerzahler 4,3 Millionen Euro kosten. Das zumindest hat Bürgermeister Thomas Kerkhoff so errechnet. Die Befürworter von direkten Sachentscheidungen der Wählerinnen und Wähler wurmen solchen Kalkulationen. Allen voran Achim Wölfel, Leiter des Landesbüros Mehr Demokratie e.V. NRW. „Manche Städte rechnen so wie Bocholt, andere nicht. Das Gesetz ist hier leider nicht eindeutig. Und am Ende bleibt den Initiativen oft nichts anderes übrig, als vor Gericht zu ziehen und zu klagen“, meint er.

Die Pflicht zur Ermittlung finanzieller Folgen eines Bürgerentscheides oder -Begehrens ist vom Gesetzgeber gewollt. Ungeregelt ist aber offenbar, was einer solchen Kalkulation zu Gunde liegen sollte oder muss. Beim Beispiel des geplanten Radschnellweges zwischen Bocholt und Rhede könnte man ganz auf eine Alternative verzichten. In dem Fall beliefen sich die Kosten für das Bürgerbegehren auf Null. Hält man den Neubauplänen allerdings eine Komplettsanierung entlang der alten B67 entgegen, sieht die Rechnung schon ganz anders aus.

Denbar wäre auch die Anrechnung eines Teilstückes in Bocholt – etwa dem von der Münsterstraße bis zum Euregiogymnasium. Diese Strecke könnte als notwendiger innerstädtischer Radweg gewertet und in die Folgekosten einer Ablehnung des Radschnellweges mit einkalkuliert werden. Der Möglichkeiten gibt es folglich viele. Grund genug für Achim Wölfel von Mehr Demokratie e.V. NRW, eine Änderung des Gesetzes und gleichzeitig auf einen Verzicht der Kostenrechnung zu drängen. Denn: „Am Ende“, so seine Erfahrung, „entscheiden die Bürger ohnehin nicht nach den Kosten“.

KOMMENTAR

Von BERTHOLD BLESENKEMPER
Schon beim Thema Rathaussanierung waren die Kosten für eine Neubaualternative das Totschlagargument überhaupt. Beim Radschnellweg wird es genauso sein und bei jedem weiteren Versuch ebenfalls. Die 4,3 Millionen Euro, die Thomas Kerkhoff jetzt als finanzielle Folgen einer Bürgerbegehrens gegen die Pläne des Landes aufgerufen hat, müssen erst einmal der Überprüfung durch der Rat standhalten. Wenn die Zahlen genauso entstanden sein sollten wie die in Sachen Rathausalternative oder lediglich einem Gedankenspiel der Verwaltung entspringen wie die gedachte Investition in einen Neubau des Euregio-Gymnasiums, dann werden sie nicht zu halten sein.

Letztendlich aber ist es auch egal. Tatsache ist, dass die Politik die elf Millionen Euro für eine sieben Meter breite Asphalttrasse nach Rhede nie und nimmer bewilligt hätte, wenn das Geld aus der städtischen oder gar der eigenen Tasche kommen müsste.

  1. Klaus Wilting says:

    Sie begründen den Vorwurf eines Totschlagarguments der Verwaltung mit einem Totschlagargument. Projekte werden durch Landes- oder Bundesmittel gefördert, weil eine Stadt sie nicht aus eigenen Mitteln finanzieren kann. Das ist der Vorwurf? Glasfaserkabel im Aussenbereich wurden nur durch Bundesmittel möglich. Hätte man es lassen sollen, weil die Stadt es nicht allein finanzieren wollte oder konnte? Die Stadt entscheidet die Sache doch nicht positiv, weil es Fördergelder abgreifen will. Das Projekt wurde von Fachleuten geprüft und für sinnvoll erachtet. Die Einschätzung kann man kritisieren – aber bitte sachlich.

  2. Antonius Mayland says:

    Nun denn, dann sachlich…..
    Dem geplanten Bürgerbegehren die Kosten für unterlassene Sanierungen an bestehenden Radwegen anzulasten, ist schon eine erstaunliche Argumentation. Wenn man der Argumentation der Verwaltung folgen würde, muss doch nach dem Bau eines Radschnellweges anschließend jegliche Investition in alternative Radwege unnötig sein. Also werden die alle zurückgebaut, oder wie darf man das jetzt verstehen? Ich denke, nicht!
    Die unterlassenen Investitionen werden trotzdem gemacht werden müssen, ob das den Anhängern des Radschnellwegebaus gefällt oder nicht. Und, es gibt andere Förderprogramme (Sept. 2021 Radfernwegeprogramm), die man hätte in Anspruch nehmen können.
    Im Übrigen besteht die Kritik am RS2 ja nicht darin, ihn sich zu wünschen, sondern ist wesentlich darin begründet, ihn auf die Bahntrasse bauen zu wollen.
    Was spricht dagegen, eine andere Planung zuzulassen und dafür Landesmittel zu beantragen?
    Um es nochmals zu verdeutlichen, ich bin nicht gegen Radschnellwege, ich bin lediglich dagegen, damit dem anderen Verkehrsträger Eisenbahn die Möglichkeit zu einer Verbesserung der Situation für immer zu verbauen!

    • Pierre Ofzareck says:

      Dem kann ich nur Beipflichten, denn der RS2 macht die einzige Eisenbahnverbindung im Westmünsterland für immer kaputt. Heute haben verschiedenste Reaktivierungen in Deutschland längst gezeigt, das bei einem guten ÖPNV-Angebot auf der Schiene, dieses auch gut angenommen wird. Wenn man heute den Dauer-SEV zwischen Bocholt und Münster sieht (Sprinterbus), erkennt man schnell, wie hoch das Fahrgastpotential auf der Schiene ist und ich prognostiziere aus den Erfahrungswerten heraus, dass sich das Fahrgastaufkommen des Sprinterbus, bei Umstellung auf eine sanierte Eisenbahnverbindung mindestens verzehnfachen wird. Den das größte Problem, dass die Eisenbahn im Westmünsterland hat, ist die Entwöhnung der Bevölkerung von der Eisenbahn, weil hier bereits seit 1974 der schrittweise Abbau der Bahnanlagen begonnen wurde und der ist-Zustand dann 1991 erreicht wurde. Seit mindestens 30 Jahren rollen also keine Züge mehr durchs Münsterland und in der Zeit hat sich vor Ort jeder an die Gleislose Infrastruktur gewöhnt.

      Bei dem Gutachten fällt mir immer wieder ein Verweis auf das EisenbahnkreuzungsGesetz § 2 auf. Doch den Zwang, nun Bocholt mit etlichen Unter- oder Überführungen zu übersehen, sehe ich nicht, denn es gibt nicht nur den Absatz 1), sondern auch noch den Absatz 2)
      Gerade in diesem Fall sehe ich das Vorliegen des Bedarfs einer Ausnahmegenehmigung als unbedingt gegeben, da die Anlage dieser Unter- oder Überführungen baulich im Grunde gar nicht möglich sind, ohne extrem teure Ingenieursbauwerke zu errichten, die das gesamte Projekt extrem unwirtschaftlich machen. Bisweilen muss man hier einfach wissen, was man mit dem Gesetz eigentlich erreichen will. Bei einem völligen Neubau einer Trasse sehe ich auch den Bedarf der recht strikten Umsetzung von Absatz 1). Geht es jedoch um die Reaktivierung bereits vorhandener Trassen, muss man da andere Maßstäbe anlegen, denn der Absatz 1) darf nicht dazu führen, dass die Reaktivierung einer sinnvollen Eisenbahnverbindung allein daran scheitert, dass sich auf der Strecke höhengleiche Bahnübergänge befinden, die zum Teil nur mit erheblichen Aufwand oder gar überhaupt nicht umzubauen sind. Hier halte ich den § 2 Absatz 1) für eine erhebliche Bremse der dringend erforderlichen Verkehrswende. Es muss eine technische Sicherung der Bahnübergänge einfach reichen. Ansonsten bedeutet dieser § den endgültigen Tod vieler ehemaliger Nebenstrecken, weil sich durch den Zwang der Kreuzungsfreien Überquerung, viele Reaktivierungen einfach nicht mehr rechnen lassen. Hier ist jetzt also die neue Bundesregierung gefragt, den § 2 Absatz 2) EkrG so neu zu fassen, dass Ausnahmen für ehemalige Bahntrassen, die reaktiviert werden sollen, generell möglich sind. Das ginge problemlos über folgende Änderung in Absatz (2):

      (2) In Einzelfällen, insbesondere bei schwachem Verkehr oder bei Reaktivierung bereits abgebauter und entwidmeter Nebenbahnen, kann die Anordnungsbehörde Ausnahmen zulassen. …

      (2a) Ausnahmen müssen zugelassen werden, wenn ansonsten der Wirtschaftlichkeitsfaktor für eine Wiederinbetriebnahme unter 1 fällt oder der Bau einer kreuzungsfreien Querung, aufgrund der vor Ort vorhandenen Gegebenheiten, nicht realisiert werden kann.

      Hier nun der § 2 des aktuellen EisenbahnkreuzungsGesetz in der aktuellen Fassung:
      Gesetz über Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen (Eisenbahnkreuzungsgesetz)
      § 2
      (1) Neue Kreuzungen von Eisenbahnen und Straßen, die nach der Beschaffenheit ihrer Fahrbahn geeignet und dazu bestimmt sind, einen allgemeinen Kraftfahrzeugverkehr aufzunehmen, sind als Überführungen herzustellen.
      (2) In Einzelfällen, insbesondere bei schwachem Verkehr, kann die Anordnungsbehörde Ausnahmen zulassen. Dabei kann angeordnet werden, welche Sicherungsmaßnahmen an der Kreuzung mindestens zu treffen sind.
      (3) Eine Kreuzung im Sinne des Absatzes 1 ist neu, wenn einer der beiden Verkehrswege oder beide Verkehrswege neu angelegt werden.

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