Nacht der Bibliotheken



Von einem „doppelten Top-Act“ sprach Reinhold Sprinz, Leiter der Volkshochschule und der Stadtbibliothek am Freitagabend, als er Jürgen Kehrer und Sandra Lüpkes ankündigte. „Die beiden haben so viele Genres auf der Pfanne, das wird eine ganz besondere Lesung“, so Sprinz. Und der sollte Recht behalten. Die beiden Autoren sorgten zweieinhalb Stunden lang für gute Laune im voll besetzten Saal des Medienzentrums.

Beide trugen nicht nur aus ihrem letzten gemeinsamen Buch „Was sich liebt, das killt sich“ vor. „Das ist das Sachbuch über unsere Ehe“, hatte Kehrer gleich zu Beginn die Lacher auf seiner Seite. „Es geht im Leben doch immer um und über Beziehungen. Sogar in vielen Volksliedern, das sollte man gar nicht meinen“, betonte Lüpkes. Sie begleitete diese Lieder mit ihrer Ukulele.
„Kollege“ Goethe
Ob „Der Kuckuck und der Esel“, das „Heideröslein“ von „Kollege“ Goethe oder „In einen Harung jung…“ Lüpkes nahm die Gäste am Freitagabend mit. Ihr Mann habe vor 30 Jahren eine richtige Entscheidung getroffen und sich entschieden, Krimiautor zu werden. „Wenn ich heute auf die Frage, was ich denn so mache, antworte, ich bin Krimitautor, so bekomme ich gleich den Kommentar, ach so, das macht meine Nachbarin auch“, sagte Lüpkes. Und die Kurzgeschichten vom Liebesleben der Kröten, die mit Wasserleichen gerettet werden, des Literaturprofessors, der Kosenamen erforschte und schließlich auch jemanden fand, der ihn „Schatz“ nannte, unterhielten die Zuhörerinnen und Zuhörer prächtig.
Löcher in den Bauch gefragt
„Die ‚Lange Nacht der Bibliotheken‘ war in Bocholt auch eine besonders tolle Nacht – was für ein gut gelauntes Publikum, das Jürgen und mir ein Loch in den Bauch gefragt und den Büchertisch fast leer gekauft hat. Danke an die Stadtbibliothek Bocholt – gerne wieder“, resümierte Sandra Lüpkes ihren Auftritt in Bocholt. Vor der Lesung sprachen beide mit bocholt.de-Redakteur Bruno Wansing:
Das Autorenehepaar kam am Freitag direkt aus Berlin, ihrem neuen Wohnsitz seit gut einem halben Jahr. „Wir wollten was kaufen, haben in Münster nichts passendes gefunden und da kamen wir auf die Idee, nach Berlin zu ziehen“, berichtet Sandra Lüpkes. Jetzt wohnen die beiden in Friedrichshain. „Berlin ist spannend “ ergänzt Jürgen Kehrer. Da ihr Hauptaugenmerk zurzeit auf dem Drehbuchschreiben liege, komme die Vielzahl der Film- und Fernsehgesellschaften beiden doch zu Gute. Jürgen Kehrer war schon mal in Bocholt. „Das war der Westfalentag und Götz Alsmann hat moderiert“, erinnert sich Kehrer. „Wir sind gerne in Städten wie Bocholt. Das ist für uns eine ideale Größe. Die Leute kommen, sie wissen, wo ihre Bibliothek ist und sie sind gut drauf“ sagte Sandra Lüpkes.
„Romane können wir nicht gemeinsam…“
Ihr gemeinsames Werk „Was sich liebt, das killt sich“, ist eine Sammlung von Kurzgeschichten. „Romane können wir nicht gemeinsam schreiben, dafür sind wir zu unterschiedlich in der Arbeitsweise“, berichtet Lüpkes. Sie beschreibt ihren Mann als den strukturierteren von Beiden. „Er muss immer den gesamten Handlungsstrang überschauen und hat das ganze im Blick“, so Lüpkes. „Sandra kann einzelnen Szenen toll ausmalen und dann – wenn es nötig ist, auch schnell umschreiben“, beschreibt Kehrer seine Partnerin.
Zu zweit besser aufgestellt
„Uns macht es Spaß, zu zweit an Drehbüchern zu arbeiten. Zu zweit sind wir auch besser aufgestellt, wenn es um die Zusammenarbeit mit den Regisseuren und den Filmegsellschaften geht“, betont Lüpkes. Weg vom Krimigenre, hin zur Komödie. Das war das Motto der Beiden, bei dem Film „Mit der Tür ins Haus“ (2. Mai im ZDF), für das sie das Drehbuch geschrieben haben. Das Klischee des Rotwein trinkenden und Zigarre rauchenden Autors bedienen beide überhaupt nicht. „Wir haben einen geregelten Tagesablauf, fangen morgens an, treffen uns um halb zwölf regelmäßig auf einen Kaffee und essen nahezu immer gemeinsam zu Mittag“, berichtet Lüpkes. Beide haben jeder ihr eigenes Arbeitszimmer. Auch der sonntägliche Spaziergang durch Berlin über acht bis 10 Kilometer gehört für die beiden Autoren mittlerweile zum Ritual. „Da gehen wir immer mit offenen Augen durch die Gegend und lernen Berlin näher kennen“, sagt Lüpkes.
Erstleser des anderen
Schreiben sie an getrennten Werken, ist immer der jeweils andere, der den ersten Entwurf lesen darf. „Ich bin dann immer ganz aufgeregt und laufe am Sessel vorbei, in dem Jürgen sitzt und meinen Entwurf liest“, plaudert Lüpkes ein wenig aus dem Nähkästchen.
Drehbücher auch mit Schauspielern besprechen
Was in England und noch mehr in den USA gang und gebe ist, in Deutschland aber überhaupt noch nicht verbreitet ist, macht Jürgen Kehrer, wenn er mit den Schauspielern die Drehbücher bespricht. „In Deutschland ist es so, dass die Drehbücher abgeliefert werden und der Regisseur dann den Film daraus macht“, sagt Kehrer. Diese Trennung sei eine deutsche Tradition. In England und den USA seien die Schauspieler in viel höherem Maße involviert. „Schön wäre es doch, wenn alle, Drehbuchautor, Regisseur und die Schauspieler, eine gemeinsame Vorstellung von dem haben, wie das Drehbuch umesetzt wird“, wünscht sich auch Sandra Lüpkes eine größere Beteiligung.
Phantasie, Disziplin, Beharrlichkeit
Sandra Lüpkes schreibt zurzeit an einem Roman mit dem Arbeitstitel „Die Schule am Meer“, der im März 2020 erscheinen wird. Jürgen Kehrer arbeitet an einem nächsten Wilsberg-Roman mit dem Arbeitstitel „Wilsberg sagt niemals nein“. Bei der Frage, was ein guter Autor benötige, waren sich beide einig: „Neben Disziplin und Beharrlichkeit, braucht man auch Phantasie und Talent“, sagte Kehrer. Und Lüpkes ergänzt: „Es gibt da keinen goldenen Weg, wie man an einen Roman herangeht. Jeder muss einen solchen Weg für sich gehen. Ich zum Beispiel muss nicht wissen, wie es ausgeht, wenn ich mit dem Schreiben beginne.“

Quelle und Foto: Stadt Bocholt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert