Polizei hat Verkehrsalltag für Menschen mit Behinderungen im Blick



Es könnte so einfach sein. Nur mal schnell über die Straße. Doch es herrscht Hochbetrieb auf der Hauptstraße in Groß-Reken. Autos bremsen, Radfahrer schlängeln sich vorbei, Busse reihen sich an den Haltestellen ein. Ein Polizeibeamter überquert mit großen Schritten die Fahrbahn. Einige Rollstuhlfahrer schauen ihm vom Gehweg aus genau zu. Mal geht Polizeihauptkommissar Andreas Rudde gerade auf die andere Straßenseite hinüber, mal wählt er die Diagonale. Die Botschaft, die er vermittelt: „Immer den kürzest möglichen Weg hinüber nehmen!“ Die Rollstuhlfahrer warten achtsam, in einer Reihe aufgestellt auf dem Gehweg, um den Anweisungen der Polizei zu folgen und ebenso sicher die andere Straßenseite zu erreichen.

Denn an diesem Tag ist für eine neunköpfige Gruppe von Menschen mit Behinderungen des Benediktushofes Maria-Veen Praxistraining in Groß-Reken angesagt. Die Aktion der Polizei und der sozialen Einrichtung soll den Teilnehmern mehr Sicherheit geben, wenn sie sich im Straßenverkehr fortbewegen. Sieben Rollstuhlfahrer und zwei Fußgänger üben mit Begleitern des Benediktushofes und zwei Polizeibeamten der Verkehrssicherheitsprävention. Die Übungen orientieren sich an ihrem Lebensalltag: Sie sollen die Hauptstraße überqueren, ebenso die Ampelkreuzung Coesfelder Straße und Borkener Straße – immer eng begleitet von Andreas Rudde und seiner Kollegin, Polizeioberkommissarin Gina Ligges.

Seit fast 30 Jahren gibt es die Aktionswoche. Dabei steht nicht nur das sichere Überqueren der Fahrbahn im Fokus, sondern auch der „Tote Winkel“ und die Länge von Anhaltewegen. „Wir machen Praxistraining, und das fast jeden Tag in der Aktionswoche. So lernen die Teilnehmer die Gefahrenquellen des Verkehrsalltags kennen und sicher damit umzugehen“, sagt Andreas Rudde auf dem Weg zur Ampelkreuzung.

Maris Cuntz fährt an den Ampelmast heran und drückt auf die Ampeltaste. Sie dreht ihren Rollstuhl in Position, um reibungslos über die Gehwegkante auf die Straße zu fahren. Warten muss sie nicht, denn es leuchtet bereits das grüne Männchen für sie auf. Maris schaut nochmal nach links und rechts. Dann wird es auch schon Zeit, den Gehweg auf der anderen Straßenseite zu erreichen, bevor die Ampel umspringt. Geschafft! Maris lächelt: „Die größten Probleme habe ich sonst immer an einer Ampel!“

Die Betreuer des Benediktushofes und die Polizeibeamten waren sich an diesem Tag einig: Die Verkehrssicherheit von Menschen mit Behinderungen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Aber Partnerschaft im Verkehr funktioniert nur von zwei Seiten: Auch die Autofahrer müssen sich der besonderen Situation bewusst sein, in der Menschen mit Behinderung am Straßenverkehr teilnehmen. Zeitverzögerte Reaktionen können ebenso dazugehören wie eingeschränkte motorische Kompetenzen. Da kann es schon mal schwierig werden, wenn Bordsteinkanten nicht abgeflacht sind oder andere Hindernisse bewältigt sein wollen, die Menschen ohne Behinderung oft nicht als solche wahrnehmen.

Andreas Rudde ist sicher: Die Präventionsarbeit lohnt sich, und darf auch im nächsten Jahr eine Fortsetzung erfahren – wenn wieder achtsame Augenpaare den Polizeihauptkommissar folgen, wie er ihnen den sichersten Weg über viel befahrene Straßen weist.

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