Stellt Bocholt nicht auf die Zerreißprobe!



Ein Kommentar von BERTHOLD BLESENKEMPER

Bocholt ist gespalten wie nie zuvor. Das hat die jüngste Nordring-Diskussion in der Familienbildungsstätte gezeigt. Ursache sind die extrem polarisierenden Argumentationen der Straßenbefürworter und -gegner. Hier die CDU, FDP und die Stadtpartei, die mit Plänen aus der Mitte des vorherigen Jahrhunderts Verkehrspolitik für morgen und davon die „Zukunft Bocholts“ abhängig machen wollen. Auf der anderen Seite der NABU und die FABI, die Grünen und die Linken, die die frei gehaltene, von der Natur zurückeroberte und von den Anwohnern überwiegend als Hunde-Gassimeile genutzte Trasse zum unverzichtbaren „Nordpark“ hochstilisieren. Dazwischen die SPD, die sich am liebsten aus allem raushält und einen Bürgerentscheid fordert.Aber wie auch immer die Sache ausgehen wird, so wie es jetzt läuft, bleibt am Ende ein großer Teil der Bocholterinnen und Bocholter als tief enttäuschte Verlierer auf der Strecke. Kann eine solche Zerreißrobe wirklich das Ziel von Politik sein? Ich denke nicht! Deutlich besser wäre es meiner Meinung nach, sich schnell zusammenzusetzen und endlich einen gemeinsamen Masterplan für Bocholt zu entwickeln, der die Menschen zusammenschweißt statt trennt und das Nörgends-bäter-as-in-Bokelt-Gefühl zurückholt. Dazu hier ein Kompromissvorschlag:

– Den äußeren Stadtring inklusive Nordtangente zu einem zentralen Bestandteil eines neuen Ökologie- und Mobiltätskonzeptes machen, indem an dieser Umgehungsstraße (wie in Groningen und Utrecht bereits erfolgreich praktiziert und von Hans Benno Hein vorgestellt) in jeder Himmelsrichtung Park- and Bike-Parkplätze mit einem kostenlosen viertelstündig fahrenden E-Bus-Shuttleservice in die City angelegt werden.

– Neue Wohngebiete (wie von allen Parteien gewünscht) erschließen und schnell mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen.

– Im Umkehrschluss die Innenstadt (wie sie die Grünen und inzwischen auch schon Teile der CDU vorgeschlagen haben und wie in Spanien, Holland und Dänemark erfolgreich umgesetzt) so weit wie möglich autoarm machen und zu einer Wohlfühl-Erlebniscity ausbauen.

– Massiv (wie es die SPD vorgeschlagen hat) in den öffentlichen Personennahverkehr investieren, um so weit wie möglich Autoverkehr verzichtbar zu machen.

– Stadtstraßen wie in den Niederlanden durch Auftragen von roter Farbe und weißen Streifen zu kombinierten Auto- und Radwegen machen und so der „Fietse“ mehr Bedeutung einräumen

– Den Handel in der City (wie von Made in Bocholt vorgeschlagen) digitalisieren und mit einem auf Lastenrädern und E-Autos basierenden lokalen Lieferservice verknüpfen, der schneller, nachhaltiger und bequemen wäre als die Kombination Amazon/DHL und die kleinen Einkaufverkehre drastisch verringern würde.

– Zum 800-jährigen Stadtjubiläum 2022 statt 800 exakt 8888 neue Bäume (oder besser noch mehr) in der Stadt pflanzen und sie durch zusätzliche Entsiegelung so grün machen wie nie zuvor.

– Das Schützenhaus abreißen (wie es die Bürgerstiftung vorgeschlagen hat) und auf dem Gelände für alle Vereine, Gruppen und Unternehmen eine Multifunktionshalle (wie sie die Jusos vorgeschlagen haben) mit angeschlossenem Bike-Park bauen und dafür einen Sponsor suchen.

– Daneben (wie es die Stadtpartei vorgeschlagen hat ) auf dem alten Güterbahnhof ein Stahl-Parkhaus errichten, um gleichzeitig die hoffentlich bald elektrifizierte Bahnstrecke nach Düsseldorf attraktiver zu machen.

– Smarte Fahrradleihstationen aufstellen, die erfolgreiche Radmesse ausbauen und in die Mehrzweckhalle verlegen sowie mit den von vielen Bocholtern bereits gesammelten Exponaten ein europäisches Fahrradmuseum gründen.

– Fahrradschnellwege in die Gewerbebiete anlegen und die Unternehmen animieren Jobräder zu fördern.

– Bocholt damit insgesamt konsequent zu DER führenden Fahrradstadt Deutschlands ausbauen und mit dem bekannten Slogan „Besser nach Bocholt“ selbstbewusst vermarkten.

Zugegeben: Billig wird das nicht. Aber damit würde Bocholt mit einem Schlag seine Marke, seine Bekanntheit, seine City, damit seine Ökonomie und die Ökologie gleichzeitig stärken. Und vor allem gäbe es so gut wie keine Verlierer. Aber es ist ja nur (m)ein Plan…

  1. Grümer-Weyers says:

    Danke für die konstruktiven Vorschläge! Nach der Versammlung an Montag, den Vorwürfen der CDU , die Veranstaltung sei nicht „neutral“ gewesen und den diversen Kommentaren zu diesem Thema, endlich ein konstruktiver Beitrag, der versucht, die unterschiedlichen Positionen zum Nordring zu versöhnen. Die Realisierung eines kleinen Teils der Vorschläge wäre ein großer Gewinn für Bocholt. Ich wünsche mir, dass die Vertreter der verschiedenen Positionen zum Nordring ihre gegenseitigen wenig produktiven Anschuldigungen beenden und nach für alle positiven Lösungen suchen. Dazu würde meiner Meinung auch eine sehr detaillierte Aufklärung über den geplanten Nordring und die mit seiner Realisierung erhofften und befürchteten Folgen gehören.

    • ÖDP Bocholt says:

      Sehr guter Kommentar und prima Ideen @Berthold Blesenkämper

      Es gab eine Person auf der Veranstaltung, die ein betretenes Schweigen auslöste, als sie erzählte, dass sie mit ihren 3 Kindern bei Wind und Wetter mit dem Lastenrad sogar Strecken bis Anholt fährt und das Auto stehen lässt, weil es um die Zukunft Ihrer Kinder geht.
      Ein Teilnehmer meinte: „Es hat mir die Tränen in die Augen schießen lassen als sie sprach, weil sie mir einen Spiegel vorgehalten hat, der mich traurig machte. Jahrzehnte habe ich an den Fortschritt geglaubt, an den Glaubenssatz: Stillstand ist Rückgang!
      Wirtschaft, Medien, Politik – alle haben uns vorgemacht, daß es nur aufwärts geht und ohne Wachstum des BIP nichts mehr geht und Chaos ausbricht. Profit ist der Antreiber dieser Haltung. Die Natur, dessen Teil wir Menschen sind, ist auf der Strecke geblieben. Die Verzweiflung der jungen Frau zu spüren tut weh, weil wir erkennen müssen, daß diese Glaubenssätze Lügen sind. Bereits in den 70er Jahren gab es zahlreiche Studien und Bücher hierzu. Sogar ein 8 Jähriger versteht, dass unsere Erde endliche Ressourcen hat, und daher unendliches Wachstum nicht funktionieren kann. Die Erderhitzung ist eine Folge dieses Fortschrittsglaubens!“

      Die Folgen von 2 Grad Erwärmung werden im Münsterland zunächst vor allem Hitze und Trockenheit ( Wasserknappheit ) sein. Viele der heute unter 60 jährigen werden diese Zeit noch erleben. Wir sind ja bereits mittendrin. Was bei 3 oder 4 Grad passiert, möchte man sich gar nicht vorstellen.
      Darauf sollte sich Bocholt vorbereiten!
      Bei 40 Grad auf Straßen ohne Schatten, ist Fahrrad fahren ziemlich anstrengend, ( Demografie beachten ) Wer jetzt noch meint, sein Auto hätte doch eine Klimaanlage, hat bis hierhin gar nichts verstanden.
      Nicht nur darum benötigen wir Bäume und viel mehr Grün in der (Innen)-Stadt.

      Politische Ränkespiele helfen uns kein Stück weiter. Anderes Denken und Handeln ist gefragt. Wir bekommen die auf uns zukommenden Probleme nicht mit alten Denkmustern gelöst. „Man kann ein Problem nicht mit der gleichen Denkweise lösen, mit der es erschaffen wurde.“
      Albert Einstein

      Ergänzende Ideen und Fragen:
      – Aus allen Stadtteilen – Richtungen – Fahrradstraßen festlegen,
      – Innerer Ring – Verbreiterung für Fahrräder und die steigende Anzahl der Seniorenmobile
      – Plätze für Bäume und Grünflächen finden – in der Stadt!!!
      – mehr Tempo 30 und langsamer
      – Ist es heute wirklich noch erstrebenswert als Stadt weiterhin wachsen zu wollen, bei sinkender Bevölkerung? Neue Industrieflächen, neue Baugebiete?
      – Gibt es Zahlen über die EFH in Bocholt, die mit 1 oder 2 Personen dort wohnen?

      Weniger ist Mehr – freiwillig oder zwangsläufig.

      ÖDP Ortsgruppe Bocholt

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert