MIT VIDEO: NRW-Chef der Europa-Union: Wählen zu gehen, ist in der Grenzregion besonders wichtig!

Wir haben den Vorsitzenden der nordhrein-westfälischen Europaunion, Peter W. Wahl, in seiner Heimatstadt Bocholt getroffen und zu den kommenden Europawahlen befragt. Das Interview mit ihm führte Benthe Hoogstraten von unserem im Projekt „Offenes Grenzland“ verbundenen Partnersender rtv connect aus Arnheim:
Herr Wahl, erklären Sie bitte kurz, was die Europa-Union ist und was diese macht?
Die Europaunion ist ein ehrenamtlicher, überparteilicher Verein. Wir kümmern uns um die Belange der Bürger und versuchen, zwischen den europäischen Institutionen und Bürgern zu vermitteln.
Merken Sie, dass sich die Menschen hier in der Region mit den Wahlen beschäftigen?
Noch nicht so, wie ich es mir wünschen würde. Viele Menschen benutzen vielleicht auch die Europawahl, um ihre Unzufriedenheit mit der Bundesregierung oder der Landesregierung auszudrücken und aus dem Wahlzettel und einen Denkzettel zu machen. Sie befassen sich momentan weniger mit wirklich europäischen Themen. Ein Beispiel ist das deutsche Gebäudeenergiegesetz. Das ist eine Idee der Grünen hier in Nordrhein Westfalen. Und es wurde ins Europaparlament gebracht und kam von dort wieder zurück in den Bundestag. Dann wurden in Berlin ehr genaue Regelungen verfasst und die Menschen kommen damit nicht klar. Wir werden in Deutschland eingeordnet in Energieklassen A bis G, und unsere Gebäude sind fast alle G und müssen saniert werden. Wir durchforsten unseren Gebäudebestand und klassifizieren unsere Gebäude in gute, mittlere und schlechte. Dann aber fahren wir nach Ungarn oder in die Slowakei und stellen fest, dass unsere schlechten Gebäude wahrscheinlich viel besser sind als die dort guten in anderen europäischen Ländern. Deshalb sind die Auswirkungen für die Bürger hier ganz dramatisch und von ihnen nicht zu verstehen.
Welche Auswirkungen könnten die Wahlen auf die Grenzregion haben?
Schon mächtige Auswirkungen. Also das Europaparlament ist ja auch zuständig für die Ausbildungsanerkennung. Wir haben hier ein tolles Projekt in Aalten und Bocholt. Da haben wir in den Dörfern Dinxperlo und Suderwick ein Europa-Projekt, bei dem Seniorenpflege auf der deutschen und auf der niederländischen Seite gemeinsam praktiziert wird. Aber die niederländischen Mitarbeiter dürfen nicht die deutschen Senioren behandeln, weil ihre Ausbildung eine andere ist. Das gilt es unbedingt zu verbessern. Noch ein Beispiel: Wir hatten hier vor Jahren Königin Beatrix in Dinxperlo zu Besuch. Die Grenze zu Deutschland verläuft dort mitten auf einer gemeinsamen Strasse. Die Königin durfte aber keinen unangekündigten Staatsbesuch machen und musste genau darauf achten, dass sie mit einem Bein immer in den Niederlanden bleibt.
Welchen Einfluss hat die EU auf die Euregio?
Wir werden hier bevorzugt behandelt. Immer, wenn zwei Länder aneinander grenzen, wirft die Europäische Union ein besonderes Auge darauf. Sie unterstützt und vermittelt dann auch Gelder dahin, um die Bürger enger zusammenzubringen. Zum Beispiel bekommen wir durch die Europäische Union Zuschüsse für eine Zusammenarbeit der Feuerwehren. Dann wird dafür gesorgt, dass die unterschiedlichen Schlauchkupplung zueinander passen Oder es wird sich darum gekümmert, dass man sich gegenseitig helfen kann, wenn es einen grösseren Notfall gibt? Deshalb hat der Rat der Regionen schon einen grossen Einfluss darauf, was technische Normen und Katastrophenschutz angeht. Die Zweisprachigkeit wird ebenfalls mit europäischen Mitteln gefördert, damit Kinder auf beiden Seiten der Grenze ihre Nachbarn verstehen können.
Würden Sie sagen, das es für die Bürger in der Grenzregion besonders wichtig ist, wählen zu gehen?
Ja eindeutig!
Sehen Sie einen Unterschied im Interesse an den Wahlen zwischen den Menschen in Deutschland und den Niederlanden?
Ich glaube, im Moment ist auch in den Niederlanden durch die neue Regierung und durch die Wahl, die vorher stattgefunden hat, das Interessen der Menschen an der Politik ein wenig in Richtung Den Haag verrückt. Menschen hatten vorher auch viel grösseres Interesse an Umweltschutz. Jetzt merken sie, dass Umweltschutz teuer ist und denken, das kostet mich meinen Arbeitsplatz oder treibt meine Firma wegen der hoher Energiekosten weg. Jetzt wählen sie plötzlich Parteien, die sagen, dass das alles nicht nötig ist und dass man das anders lösen kann. Aber genau das müssen sie erst noch beweisen. Vielleicht wird nächstes Jahr auch in Deutschland eine neue Regierung gewählt. Aber das ist nun mal der Zauber der Demokratie. Die Demokratie gibt uns als Bürger das Recht, alle vier Jahre oder fünf Jahre alles nochmals ganz neu zu machen. Und für dieses Recht, wählen gehen zu dürfen, da muss man kämpfen. Andere Leute auf der Welt wären bereit dafür zu sterben. Man sieht es gerade auf dem europäischen Kontinent in der Ukraine. Die Leute wollen Demokratie und kämpfen dafür. Sie wollen nicht unter Knechtschaft kommen und nicht in eine Zentralregierung. Die föderale europäische Union kann ein gutes Beispiel geben.