Online-Update 2019: Jugendliche und die digitalen Lebenswelten



Kreis Borken/Ahaus (ots) – Smartphones haben nichts in der Schule verloren, viele Schüler verbringen ihre Nachmittage mit Schießen und Töten bei Fortnite, Eltern unterschätzen Influencer und mancher Chat verwandelt sich in einen Alptraum: klare Aussagen, die bei lange nachwirkten bei den Teilnehmern einer besonderen Fortbildungsveranstaltung.

„Digital Na(t)ives – Auswirkungen digitaler Welten auf die Lebenswelt von Jugendlichen, so hatte der Fachbereich Kinder- und Jugendförderung des Kreises Borken sie überschrieben. Gemeinsam mit dem Netzwerk online-Update erreichten sie damit an zwei Tagen zahlreiche Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter und Fachkräfte aus der Jugendhilfe in den Räumen des Ahauser Softwareherstellers Tobit. Dazu hatten Ute Isferding vom Fachbereich Jugend und Familie des Kreises Borken und Maria Engels von Tobit zahlreiche Teilnehmer aus dem gesamten Kreisgebiet am Dienstag und Mittwoch willkommen heißen können.

Was macht das Smartphone mit dem Menschen? Dieser Frage widmet sich Professor Dr. Christian Montag. Der Psychologe von der Universität Ulm machte mit Ergebnissen aus der Forschung klar: Die kleinen Alltagsbegleiter ziehen den Menschen oft stärker in ihren Bann, als es gut für ihn ist. Die treibenden Faktoren haben Namen: Whatsapp und Facebook. Dass wir ihnen unsere Aufmerksamkeit schenken, sei kein Zufall: Apps „schubsen“ den Nutzer in ihre Richtung – zwei blaue Haken hinter einem Whatts-App-Post reichen da oft schon, um Druck aufzubauen: Warum kommt denn keine Reaktion? Die ständige Verfügbarkeit fördere eine regelrechte Sucht, online zu gehen. Der Wissenschaftler hatte Belege mitgebracht, die nachdenklich stimmten: Wer zu viel im Internet ist, kann schneller ADHS und Depressionen bekommen.

Und schadet seiner Konzentration. Christian Montags Credo verwunderte daher nicht: „Smartphones haben im Schulunterricht nichts verloren!“ Schon das Handy auf dem Tisch reiche, um den Arbeitsfluss nach wenigen Minuten zu unterbrechen. Raus aus dem Hamsterrad Handy, hin zu einem selbstbestimmten Umgang mit dem Gerät: Damit das gelingt, hatte der international tätige Forscher konkrete Tipps mitgebracht. Nicht nur Jugendlichen dürfte es gut tun, zum Beispiel das Schlafzimmer zur handyfreien Zone zu machen, Benachrichtigungen abzuschalten und das Email-Programm zu schließen.

Einen Blick in ihr digitales Leben erlaubten Schüler der Stadtlohner Herta-Lebenstein-Realschule. Sie „scannen“ Tag für Tag regelrecht einen schnellen Fluss der Daten: Da schicken Freunde eine Momentaufnahme über Snapchat, auf dem Bildportal Instagram wollen Posts im Sekundentakt gecheckt sein und im Netz warten die Mitspieler, um sich als Team bei Fortnite durch eine virtuelle Landschaft zu ballern. Die jungen Medienscouts sehen diesen Lebensstil durchaus kritisch, auch wenn sie Teil ihrer Schülergeneration sind.

Was die Zukunft parat hält, davon zeichnete Florian Beutemüller ein facettenreiches Bild: Virtuelle Realitäten durchdringen die Wirklichkeit in zunehmenden Maß – nicht nur in Spielen wie „Pokemon Go“, das in kürzester Zeit einen weltweiten Hype auslöste und öffentliche Plätze in digitale Spielarenen verwandelte. Ob Künstliche Intelligenz bis zum Jahr 2060 tatsächlich alle menschlichen Aufgaben übernehmen könnte? Der Experte von der Landesanstalt für Medien NRW hatte sich angesichts derartiger Prognosen eine gesunde Portion Skepsis bewahrt. Aber wo Roboter inzwischen in der Pflege Einzug halten, selbstfahrende Taxis erste menschliche Fahrgäste transportieren und digitale Assistenten scheinbar jeden Wunsch und ungewollt manches mehr von den Lippen ablesen, greift das Digitale doch in zunehmendem Maß in den Alltag ein.

Der „Faktor Mensch“ bleibt bei all dem Fortschritt aber weiter anfällig für Verführung und Betrug. Warum die Internet-Figur „Momo“ Kindern beim Chatten und Spielen gezielt Angst macht und wie Jugendliche zum Opfer des sogenannten Cyber-Groomings werden, veranschaulichten Dr. Sascha Borchers von der Schulberatung des Kreises Borken und Ulli Kolks von der Kriminalprävention der Kreispolizeibehörde Borken.

Nicht nur die Experten, sondern auch zahlreiche Interessierte hatten übrigens den Weg zu einem öffentlichen Vortrag im Rahmen der Veranstaltung gefunden: Rund 380 Zuhörer wollten sich am Dienstagabend bei Tobit von Professor Dr. Christian Montag über Gefahren und Folgen informieren lassen, die mit einem übermäßigen Gebrauch des Smartphones einhergehen.

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