Meine schöne leuchtende Rübe und mein großer Hunger



Wenn in Bocholt die Kinder zum St. Martinstag durch die Straßen ziehen, leuchten ihre Laternen. Manche Laternen sind aus Papier, aber es gibt hier auch andere, ganz besondere Lichter: Laternen, die aus Rüben entstanden sind. Rüben waren früher ein Gemüse, das nicht teuer war und das vor allem für arme Leute ein häufiges Nahrungsmittel war. Und daraus ließen sich auch billige Laternen machen. Die Rüben, auch „Runkel“ genannt, wurden durchgeschnitten und „ausgehöhlt“. Das Innere wurde entfernt, sodass nur noch eine etwas dickere äußere Schicht übrigblieb. Diese wurde mit einem Messer mit verschiedenen Motiven verziert, wie man auf den Fotos sehen kann. Auch heute wird dies traditionell noch so gemacht. Beim großen Martinsumzug am Mittwoch kann man viele solcher Rübenlaternen bewundern. Bianca vom Orbis-Team erinnert sich an einen solchen Umzug, bei dem sie als Kind großen Hunger bekam und dann … (lest mal weiter!)

Hoffentlich, dachte ich, sind wir bald am Rathaus, wo St. Martin dargestellt wird und auf einem Schimmel sitzt. Mühsam setzte ich einen Fuß vor den anderen. Der lange Weg im Martinsumzug durch die Stadt strengte mich an. Meine Rüben-Laterne war schwer. Warum hatte ich ausgerechnet die größte und schwerste Rübe ausgewählt und meine Laterne daraus hergestellt? Nun, sie hatte eine größere Fläche zum Verzieren: Einen Baum, kleine Häuser, eine Kirche, einen Mond und viele Sterne hatte ich mit viel Liebe in die Rübe geschnitzt. Die Kerze im Inneren meiner Rübe ließ all diese Schnitzereien schön hell erstrahlen, und ich war sehr stolz auf meine hübsche „Runkel“.

Aber jetzt, als ich mit meiner Schulklasse auf dem Weg zum Rathaus war, war die schöne Rübe plötzlich nur schwer. Ich hatte große Mühe, sie hochzuhalten, damit sie alle sehen konnten. Meine Arme schmerzten bei jedem Schritt mehr. Du darfst nicht weinen, Bianca, die anderen Kinder könnten dich auslachen, dachte ich. Mein Magen knurrte, denn ich hatte großen Hunger. Ich musste mich zusammenreißen. Da kam mir eine Idee: Ich ging ganz am Rand des Umzuges, so dass die Zuschauer nur eine Seite meiner Laterne sahen. Die andere Seite, die sie nicht sehen konnten, konnte ich doch einfach essen. Dann wäre meine Martins-Rübe nur noch halb so schwer, und ich müsste keinen Hunger mehr haben.

Also fing ich an zu knabbern. Ganz vorsichtig, Stück für Stück. Bis nur noch etwa die Hälfte der Rübe übrig war. Nun ging es mir besser. Wir kamen ans Ziel am historischen Rathaus, und ich freute mich auf all die leckeren Sachen, die am Ende des Umzuges verteilt wurden, auf die Tüte mit Apfel, Apfelsine und Spekulatius-Gebäck. Auf einmal hörte ich die Stimme meiner Lehrerin: „Du hast ja nur noch eine halbe Martinsrübe, wo ist denn die andere Hälfte? Ist deine Rübe heruntergefallen?“ „Nein“, antworte ich ehrlich. „Ich hatte Hunger, und außerdem war sie zu schwer.“ Da lachte meine Lehrerin sehr und sagte: „Na, du bist ja wirklich eine ganz Clevere.“ Sie zwinkerte mir freundlich zu und gab mir meine Martinstüte. Wie gerne hätte ich jetzt Spekulatius gegessen, auf den ich mich so sehr gefreut hatte. Aber es ging nicht. Mein Magen war voll, ich war noch satt von meiner Rübe.

Da habe ich mir vorgenommen, im nächsten Jahr für den Martinsumzug eine kleinere und leichtere Rübe als Laterne zu verwenden und, wenn ich hungrig werde, lieber den Inhalt meiner Martinstüte zu genießen.

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