Schulabsentismus: Fachleute erarbeiten neue Infobroschüre
Kreis Borken. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus dem Kreis Borken hat eine neue Handreichung zum Thema „Schulabsentismus“ erarbeitet. Schulleitungen, Fachleute der Jugendhilfe, Schulaufsicht, Schulsozialarbeit, Schulpsychologie, aus der Ärzteschaft sowie Beratungslehrkräfte haben gemeinsam an der Broschüre mit dem Titel „Schulabsentismus – Interdisziplinäre Prävention und Intervention im Kreis Borken“ gearbeitet. Geleitet wurde diese Arbeitsgruppe von Michael Sylla, Leiter der Regionalen Schulberatungsstelle, und Schulpsychologin Kristina Timm. Die Handreichung richtet sich insbesondere an die Schulen und zudem an alle, die mit Kindern und Jugendlichen zu dieser Problematik arbeiten. Dies sind neben Ärzten und Psychotherapeuten vor allem die Jugendhilfe und Schulsozialarbeit.
Anlass für die Publikation war eine Fachtagung zu der Thematik im Borkener Kreishaus mit dem Experten Professor Heinrich Ricking im Herbst 2018. Dabei wurde der Kreis von den anwesenden Fachleuten gebeten, ein fachübergreifendes Konzept zu entwickeln. In ihren Begleitworten zu der Handreichung betonen Regierungspräsidentin Dorothee Feller und Kreisdirektor Dr. Ansgar Hörster die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit Schulabsentismus. Die betroffenen Schülerinnen und Schüler würden schnell „abgehängt“, viele von ihnen erlangten entweder einen geringeren oder überhaupt keinen Schulabschluss und verfehlten auf diese Weise die Basis für eine gelungene berufliche Entwicklung und gesellschaftliche Teilhabe.
„Neben dem üblichen ‚Schwänzen‘ sind es vor allem Ängste und Phobien, die Kinder und Jugendliche die Schule meiden lassen“, sagt Schulpsychologin Kristina Timm. Die Handreichung erläutert ausführlich die verschiedenen Ursachen für das Fernbleiben von der Schule, gibt Hilfen zur Diagnostik und vermittelt konkrete und vor allem praxisorientierte Lösungswege. „Schulangst liegt immer dann vor, wenn sich konkrete Anlässe für Ängste bestimmen lassen“, erläutert Schulpsychologin Timm. Dies seien beispielsweise Leistungsängste oder Ängste vor Mitschülerinnen und Mitschülern bei Mobbing. Noch komplexer sei das Phänomen der Schulphobie: Hier liegen Gründe nicht in der Schule, sondern Kinder und Jugendliche haben Schwierigkeiten, sich von ihren Bezugspersonen zu trennen. Wegen der heftigen Symptome wie Unwohlsein, Bauchschmerzen und Erbrechen werden diese Kinder und Jugendlichen oft zuerst Ärzten vorgestellt.
Wirksame Unterstützung und die erfolgreiche Rückführung der Betroffenen in den Unterricht scheitern unter anderem an Missverständnissen in der Kommunikation, gegenseitiger Schuldzuweisung und der oftmals fehlenden interdisziplinären Zusammenarbeit. In der Handreichung wird daher auch das Umfeld der betroffenen Schülerinnen und Schüler in den Blick genommen. Ob Eltern, Schule, Schulaufsicht, Jugendhilfe, Mediziner oder Psychotherapeuten – sie alle werden in die Verantwortung für eine erfolgreiche Prävention oder Rückführung in den Unterricht einbezogen. Die Handreichung wird derzeit allen Schulen und genannten Institutionen im Kreisgebiet zur Verfügung gestellt.
„Sorgen bereitet uns die aktuelle Situation im Kontext der Corona-Pandemie“, sagt Schulpsychologe Michael Sylla. Die erforderlichen Schulschließungen hätten schulmeidenden Schülerinnen und Schülern sicher kurzfristige Erleichterung verschafft, erschweren aber genau deswegen die Rückkehr in die Schule sehr. „Bei Ängsten und Phobien wird die Hürde zum regelmäßigen Schulbesuch nach freien Tagen immer höher“, sagt der Leiter der Schulberatungsstelle. Die Schulpsychologen erwarten nach der Phase Schulschließungen eine deutliche Zunahme von angstbedingtem Schulabsentismus. Daher käme die Handreichung genau zum richtigen Zeitpunkt.
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