Serie 36,5 Grad: Beatrix Telake – Die letzte Kürschnerin
Von BERTHOLD BLESENKEMPER (Text und Fotos)
Sie liebt ihr Handwerk. Dennoch musste Beatrix (Trixi) Telake die Kürschnerei Anfang der 90er Jahre aufgeben. Pelze zu tragen, war nach massiven Protesten von Naturschützern damals verpönt. Heute, als Rentnerin, trifft man die 64-Jährige immer öfter wieder in ihrer Werkstatt. Dort recycelt sie alte Erbstücke wie Mäntel und Jacken zu Decken oder Handschuhen um. In der kleinen Werkstatt an der Dietrichstraße in Bocholt sieht es aus wie in einer alten nordamerikanischen Trapper-Hütte. Felle, wohin das Auge blickt. Nur haben die von Beatrix (Trixi) Telake Ärmel, Knopflöcher und Innenfutter. „Alles Erbstücke“, erklärt die 64-Jährige, während sie sich auf die Nadel mit Faden konzentriert, mit dem sie gerade einen Nerz bearbeitet. Die Kürschnerin schneidert das um, was Menschen nach Jahren wieder aus Kellern und Dachböden holen oder aus Schränken hervorkramen. Fast scheint es, als erlebe das uralte Handwerk eine Renaissance.
Telake ist Kürschnerin durch und durch. „Ich hatte ja auch keine andere Wahl“, bilanziert sie. Als einzige Tochter eines Kürschners und einer Schneiderin wuchs Trixi in der Werkstatt ihrer Eltern Josef und Erna Telake an der Ravardistraße (heute Fasskeller) auf. Schnell war ihr der Umgang mit Nadel und Faden vertraut. Das brachte ihr einige Male den Neid der Freundinnen ein. „Ich konnte als Kind schon einfach und schnell ein paar neue Kleider für unsere Puppen schneidern“, erinnert sich die Bocholterin.
Nach der mittleren Reife am Mariengymnasium absolvierte Trixi eine Ausbildung bei einer Kürschnerei in Wesel. Schließlich legte sie als Jahrgangsbeste in Nordrhein-Westfalen ihre Meisterprüfung ab und stieg ins elterliche Geschäft ein. Eine schwierige Zeit. Die wilden 68er hatten Ihre Spuren hinterlassen und rissen die junge Frau mit. Zudem litt die Branche unter massiven Protesten von Naturschützern, die Pelzträger an den Pranger stellten. Beatrix Telake hat dazu nach wie vor eine differenzierte Meinung. „Wenn man Wildtierfelle verarbeitet hätte wie die von Leoparden oder Seehundbabys, hätte ich das ja noch verstanden. Aber bei uns wurde streng darauf geachtet, dass nur Felle von Zuchttieren verarbeitet wurden. Wenn man dagegen ist, dann dürfte man in letzter Konsequenz auch kein Schwein oder Rind essen“, meint sie
1990 war das Geschäft in der Ravardistraße nicht mehr zu halten. Die Familie zog an die Dietrichstraße um. Zwei Jahre später war auch dort Schluss. Beatrix suchte sich einen Job als Verkäuferin in der Möbelbranche und arbeitete nur noch nebenbei in ihrem gelernten Beruf.
Im Laufe der Jahre fertigte sie Mäntel und Jacken aber auch Taschen und Decken, Handschuhe und Stulpen. An ein besonderes Stück erinnert sie sich heute noch. „Ein Kunde brachte mir Fuchsfelle und wollte daraus ein Fuchskostüm für die alemannische Fastnacht in der Schweiz gemacht haben“, erzählt Trixi. Der Auftrag wurde erfüllt. Ihr Lieblingsstück war und ist indes eine Jeanskombination, die sie aus zwei alten Hosen schneiderte und teilweise mit Fellen besetzte. Dafür gab es die Goldmedaille des Kürschner-Zentralverbandes.
Heute hat sie wieder häufiger junge Kundinnen und Kunden. Die haben oft geerbt und wissen nichts anzufangen mit alten Nerzmänteln oder Persianer-Jacken. Schnitte und Farben entsprechen meist nicht mehr der aktuellen Mode. Sie einfach so wegzuwerfen, finden die meisten Menschen jedoch zu schade. Manchmal aber geht es nicht anders. Denn wenn Pelze lange nicht getragen oder womöglich in Plastiktüten aufbewahrt werden, wird das Leder brüchig. Und dann ist meist nichts mehr zu machen. „Ich sage dann immer, dass das Tier zum zweiten Mal gestorben ist“, erklärt die Kürschnerin.
Aber sie stößt auch immer wieder auf sehr gut erhaltene Stücke. Dann geht Trixi Telake das Herz auf. „So ein Nerz kann gut und gerne 60 bis 70 Jahre halten“, erklärt Telake. Sie macht Vorschläge zur Aufbereitung oder Umgestaltung und macht sich ans Werk. „Im Grunde genommen recycele ich nur noch“, meint die 64-Jährige und lächelt. Endlich kann sie einmal mit dem statt gegen einen Trend arbeiten. Eine ganz neue Erfahrung für die Bocholterin.