Serie 36,5 Grad: Gaby Frentzen – Und, wie fandse selba?



Von BERTHOLD BLESENKEMPER

Alles begann mit einer „vorgezogenen Wechseljahreserscheinung“, wie Gaby Frentzen betont. Im zarten Alter von 42 Jahren hatte es die Bocholterin endgültig satt, bei Konzerten immer nur Luftgitarre spielen zu können. Deshalb kaufte sie sich in der Rockschule eine 10-er-Karte Unterricht, lernte drei, vier knackige Griffe auf dem elektrischen Saiteninstrument und rockte einfach mal drauflos. „Schön war es nicht, aber laut“, erinnert sich die Journalistin. Gaby fand vier Gleichgesinnte. Zusammen gründeten die Frauen eine Band mit dem eindeutig zweideutigen Namen „Falten/Rock“. Die feiert inzwischen ihr zehnjähriges Bestehen und starte Mitte September zu einer viertägigen Jubiläums-Tour im zünftigen Nightliner-Bus (inklusive Groupies) zu so klangvollen Spielorten wie Schwanewede, Brunbach oder Vernawahlshausen. Stil ist nun mal nicht das Ende des Besens. Erst Recht nicht für echte Rock’n’Rollerinnen.

Dabei wurde Gaby Frentzen Rhythmus und Klangsicherheit nicht gerade in die Wiege gelegt. Sie wuchs in der Bärendorfstraße auf, ging zur Josef- und später zur Israhel-van-Meckenem-Realschule. Es folgten die Ausbildung zur Verlagskauffrau und ein Fernstudium in Jounalistik. Heute leitet Frentzen die Redaktion des Bocholter Reports.

Ihre musikalische Erfahrung beschränkte sich in jungen Jahren auf den Konsum von Schallplatten und den Besuch von AC/DC-Konzerten. Die Pioniere des Hardrock waren ihre wahren Helden. Aus der Verehrung entstand der sehnliche Wunsch, es den Vorbildern wenigsten wenigstens einmal im Leben gleichtun und den Klassiker „TNT“ auf einer wie auch immer gearteten Bühne performen zu können.

Der Rest ist Band-Geschichte. Zur in nur wenigen Monaten zur Leadgitarristin gereiften Frentzen, die sich fortan „Gäyb Frenny“ nannte, gesellten sich Sängerin Anni „Hannes“ Oenning, Rhyth­musgitarristin Katharina „Katha“ Neuenhaus, Bassistin Astrid „Higbert“ Florack und Drummerin Edda Tebartz. Letztere stieg später aus und wurde – welch ein Frevel – durch einen Mann ersetzt. „Frauen für dieses Instrument zu finden, ist nun mal sehr schwierig, und wir wollten einfach nicht so lange warten“, erklärt Gaby Frentzen. Deshalb ist jetzt Jörg „Jöööärch“ Sundach die Zugmaschine der Band, ein laut Internetseite allerdings ausgewiesener „Frauenversteher“.

„Falten/Rock“ hatte sich von Beginn an der Musik von AC/DC verschrieben. Hells Bells, Back in Black oder Thunderstruck – gespielt werden die alten Klassiker aus der Bon-Scott-, aber auch aus der  Brian-Johnson-Zeit. Dazu garniert das Quartett seine Setlist gerne mal mit eigenen Stücken wie Kiss my Ass oder Devils Fire. Manchmal entfleucht den Ladies und ihrem Trommler sogar ein Ohrwurm, der eigentlich so gar nicht dazu gehört. „Das passiert dann, weil uns einfach danach ist“, lachen die Damen.

Der erste Auftritt war im wahrsten Sinne des Wortes ernüchternd. Aber die vier machten trotzdem weiter – weil das Bier danach so gut schmeckt(e). Die Band-Devise lautet seitdem: Zocken, Spaß haben und neben Job und Familie einfach mal rotziger Rockstar sein. Dabei kennen die Gitarristinnen keine Bühne. Am liebsten spielen sie mitten im Publikum und/oder  auf der Theke. Und nach dem Gig  genießen sie das Leben echter Stars. In der Stretchlimousine mit Rotkäppchen-Sekt über die Reeperbahn, Catering auf dem Hotelzimmer mit Lachshäppchen und Kaviar, all das haben sich die Damen schon gegönnt.

Der wie auch immer einzuordnende Erfolg gibt „Falten/Rock“ Recht. Man darf sich selbst halt nur nicht zu ernst nehmen. Die Band agiert denn auch eher nach der alten Fußballer-Devise „flach spielen heißt hoch gewinnen“ und übt sich in Understatement. Merke: Ist die Erwartung des Publikums gering, ist es nachher umso dankbarer.

Nur in Sachen Promotion sind die Rock-Ladies echte Profis. Sie haben eine Internetseite gefüllt, sich bei Facebook ausgetobt, eine CD produziert und ein Buch herausgegeben. 2014 veröffentlichten Edda Tebartz und Gaby Frentzen gemeinsam auf 248 Seiten das spritzig-anregende Kopfkino zweier Musikerinnen aus Leidenschaft. Für 14,90 ist es heute noch online erhältlich. Der Titel: „Und, wie fandse selba?“. Wer genau hinhört, findet die Antwort in den Liedern von AC/DC: „It’s a Long Way to the Top (if you wanna Rock ’n‘ Roll)“ dröhnt es vielsagend aus den Boxen.

Foto: Guido Karp

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