SERIE Bocholt, deine Projekte – heute: Radschnellweg nach weiteren Verzögerungen auch im „29er-Club“
„Bocholt, deine Projekte“: Unter diesem Titel stellt Made in Bocholt in den kommenden Tagen und Wochen den Sachstand zu zahlreichen, seit Jahren geplanten Vorhaben in der Stadt vor. Heute berichten wir über die alte Bahntrasse von Bocholt nach Rhede, die wieder reaktiviert oder, wenn es nach den Willem der beteiligten Städte gehen soll, durch einen Radschnellweg ersetzt werden soll.
Von BERTHOLD BLESENKEMPER
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst aus Rhede steckt in einem Dilemma. Er persönlich möchte das Radschnellwegnetz im Land ausbauen und bevorzugt eine solche, sieben Meter breite und 10 Millionen Euro teure Verbindung zwischen Bocholt und seiner Heimatstadt Rhede. Sein Koalitionspartner in Düsseldorf jedoch, die Grünen, hatten ihm in der Verhandlung zu Beginn der Legislaturperiode die stärkere (Re-)-Aktivierung der Bahn-Kapazitäten ins Brevier geschrieben. Die Folge: Wüsts Parteifreunde vor Ort verkünden in regelmäßigen Abständen den endgültigen Siegeszug des Rades und erleiden dabei im gleichen Rhythmus eine Schlappe nach der anderen. Die Bahnbefürworter – allen voran die Westmünsterlandbahn GmbH – wiederum kommen ebenfalls nicht weiter. Sie wähnen aber zumindest den Zeitgeist auf ihrer Seite.
Jüngste Entwicklung: Rhedes Bürgermeister Jürgen Bernsmann, der erst vor kurzem noch eine Entscheidung des NRW-Verkehrsministers als endgültigen Durchbruch für den Radweg feierte, musste in diesen Tagen öffentlich eingestehen, dass vor Ende 2029 wohl nicht mit einer solchen Schnellverbindung zu rechnen ist. Grund: Durch die ständigen Verzögerungen sind einige für die Genehmigung wichtige Gutachten nicht mehr rechtsgültig und müssen neu gemacht werden. Damit kann auch dieses Projekt in den Bocholter „29er-Club“ aufgenommen werden, in dem sich jetzt schon die Rathaussanierung und die Sanierung des Euregio-Gymnasiums befinden.
In diesem Zusammenhang wurde ebenfalls deutlich, dass es Bernsmann und sein Bocholter Pendant Thomas Kerkhoff mit kleinen, aber feinen Details nicht so genau nehmen. Erst behaupteten sie, die Trasse zwischen Bocholt und Rhede sei komplett entwidmet, also rechtlich nicht mehr für den Bahnverkehr nutzbar. Diese Einschätzung mussten sie später in „faktisch“ also „so gut wie entwidmet“ revidieren. Schnell wurde ein offizieller Entwidmungsantrag hinterhergeschickt, später aber aus Mangel an Erfolgsaussichten wieder zurückgezogen. Damit nicht genug: Das gleiche Spiel wiederholte sich wohl vor einigen Wochen. Erneut soll ein förmlicher Entwidmungsantrag gestellt und später ebenso förmlich wieder zurückgezogen worden sein.
In Bocholt haben die CDU und die Bürgermeister wohl den aus dem Klimawandel und der dringend notwendigen Kolhlendioxidreduzierung resultierenden Entscheidungsdruck unterschätzt. Noch in 2020 die Union und ihr Spitzenkandidat Thomas Kerkhoff die kurze Gleisstrecke zwischen dem Bahnhof und dem großen Industriepark in Mussum stilllegen. Heute, vier Jahre später wird wieder Geld in das sogenannte Stammgleis investiert, weil die Bundesbahn selbst es braucht einige große Speditionsunternehmen in dem riesigen Gewerbe-Areal einen Teil ihrer großen Transportkapazitäten auf die Schiene verlagern wollen.
Auf der Trasse zwischen Bocholt und Rhede jedoch geht es auch für die Bahnbefürworter nicht weiter. Sie warten händeringend auf eine Machbarkeitsstudie, die die Wirtschaftlichkeit einer Verlängerung der Strecke RE19 zwischen Wesel und Bocholt bis nach Rhede nachweist. Nur wenn Experten genau das so erklären, hat die Reaktivierung eine Chance auf Bezuschussung und damit auf Realisierung. Doch gerade diese Expertise lässt auf sicher warten. Ihrer Veröffentlichung wird seit 2023 Quartal für Quartal angekündigt und in derselben Regelmäßigkeit verschoben.