St. Agnes-Hospital bietet Opfern von Sexualstraftaten schnell und anonym Hilfe an



Frauen im Kreis Borken, die Opfer von Sexualstraftaten geworden sind, können jetzt im Bocholter St. Agnes-Hospital Spuren dieser Gewaltdelikte anonym sichern lassen. Das teilen die Mitglieder der Arbeitsgruppe Gesundheit des Runden Tisches gegen häusliche Gewalt im Kreis Borken – „GewAlternativen“ mit. Das Modell der anonymen Spurensicherung (ASS) sei damit erstmalig im Kreisgebiet etabliert. Es beruht auf dem Ansatz, dass sich Opfer von Gewalt ohne vorausgehende polizeiliche Strafanzeige an das Krankenhaus wenden können. Dort wird das Opfer untersucht, die Verletzungen werden dokumentiert und die Spuren am Körper des Gewaltopfers gesichert. Außerdem erfolgt eine Beratung zu weiterführenden therapeutischen und psychosozialen Angeboten.
Opfer von Sexualstraftaten und häuslicher Gewalt sehen sich nicht selten in der Lage, die Täter, die häufig aus dem näheren familiären Umfeld stammen, sofort anzuzeigen. „Die Frauen sind traumatisiert, empfinden Scham, stehen unter Schock und versuchen, das Erlebte zu verdrängen“, erklärt Dr. Christine Cellarius, Hausärztin aus Borken und Sprecherin der Arbeitsgruppe Gesundheit. Es koste eine enorme Überwindung, überhaupt über die Tat zu sprechen und zu realisieren, dass sie tatsächlich passiert sei. „Wer nicht unmittelbar nach der Tat die Polizei alarmieren oder eine Anzeige erstatten kann, sollte aber trotzdem so schnell wie möglich das St. Agnes-Hospital in Bocholt aufsuchen. Spuren sind Beweise und die können auch ohne Polizei und Anzeige schon mal gesichert werden“, erläutert die Ärztin.
Auf diese Weise gewinnen Opfer von Gewalt Zeit und Raum, sich psychisch zu stabilisieren, körperliche Verletzungen auszukurieren und sämtliche notwendige Unterstützung und Beratung zu erhalten. Das Erstatten einer polizeilichen Anzeige kann Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre später erfolgen.
Möglich geworden ist dieses schnelle und unbürokratische Verfahren im Kreis Borken durch eine Kooperation des Bocholter Krankenhauses mit dem Runden Tisch „GewAlternativen“. Die Finanzierung erfolgt durch Fördermittel des Landes NRW. „Wir freuen uns sehr, dass das Land dieses wichtige Projekt unterstützt“, unterstreicht Herbert Mäteling, Geschäftsführer und Vorsitzender der Betriebsleitung des St. Agnes-Hospitals Bocholt-Rhede.
Im Bocholter Krankenhaus sind alle Ärztinnen und Ärzte der Abteilung Frauenheilkunde und Geburtshilfe für den Bereich der Anonymen Spurensicherung ausgebildet. „Selbst leichte Spuren sind von Bedeutung und können sichergestellt werden“, betont Oberärztin Margo te Woerd.
Wie verläuft das Verfahren der Anonymen Spurensicherung?
Opfer von Sexualstraftaten und häuslicher Gewalt sollten sich möglichst sofort nach der Tat und ohne zu duschen oder sich umzuziehen in das Krankenhaus begeben. Dort sollten sie am „Empfang“ unter Nennung des Codewortes „Anna“ um die anonyme Sicherung der Spuren bitten.
Das Krankenhaus hält ein Spurensicherungsset bereit. Der Untersuchungsbericht und die gesicherten Spuren werden mit einer Chiffre-Nummer versehen und die Beweismittel (zum Beispiel Sperma, Haare) per Kurier zum Institut für Rechtsmedizin nach Düsseldorf gebracht. Dort werden die Spuren zehn Jahre gelagert. Wenn sich Frauen zu einem späteren Zeitpunkt für eine Strafanzeige entscheiden, können sie auf diese Spurensicherung hinweisen. Die Polizei leitet dann die notwendigen Schritte ein. Wichtig zu wissen: Die anonyme Spurensicherung ist für die Opfer kostenlos.
„Gut ist es, wenn sich die Betroffenen einer Person anvertrauen, die sie beim Gang zum Krankenhaus begleitet“, empfiehlt Irmgard Paßerschroer, Gleichstellungsbeauftragte des Kreises und Geschäftsführerin des Runden Tisches „GewAlternativen“. Hilfe und Unterstützung gibt es auch von der Frauenberatungsstelle und dem Frauennotruf in Ahaus (Tel. 02561/3728), dem Frauenhaus in Bocholt (Tel. 02871/40194) und der Frauenschutzwohnung in Gronau (Tel. 02562/817340).
In den nächsten Wochen werden Informations-Flyer und -Kärtchen an Arztpraxen und Beratungsstellen im gesamten Kreisgebiet verschickt. „Wir hoffen, dass sich die Möglichkeit der anonymen Spurensicherung im Bocholter Krankenhaus im Kreis herumspricht und die Opfer diese Möglichkeit auch nutzen“ , so Christine Cellarius. Der Flyer erscheint in sieben Sprachen (deutsch, englisch, französisch, russisch, türkisch, arabisch und persisch).
Bildzeilen:

Foto: Eine nachgestellte Untersuchungssituation mit Assistenzärztin Franziska Pühl vom Bocholter St. Agnes-Hospital

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