Stadtgeschichte: Conrad Joseph Diepenbrock – Bruder des Kardinals



Im Herbst 1869 entstand in einem fotografischen Atelier der Stadt Speyer das Porträtbild einer interessanten Bocholter Persönlichkeit. Auf der Rückseite des ältesten Fotos aus dem Bocholter Stadtarchiv ist in zeitentsprechender Handschrift vermerkt: „Joseph Diepenbrock – broer van den Kardinaal“ (Bruder des Kardinals).
Wir haben es mit einem Mann zu tun, der ein bewegtes, ja abenteuerliches Leben hinter sich hatte und sich in den verschiedensten Berufen übte. Jedoch immer wieder aus der Bahn geworfen, führte er demgemäß – nach eigenem Empfinden „Auf den Flügeln der Sehnsucht […] einem Adler vergleichbar“ – ein recht rastloses Dasein.
Conrad Joseph Diepenbrock wurde am 27. Juni 1808 als Sohn des damaligen Bürgermeisters Anton Diepenbrock und der Franziska Kesting in Bocholt geboren. Er war der jüngste Bruder des späteren Kardinals Melchior von Diepenbrock. Nach seiner Schulausbildung schlug er 1830 zunächst eine militärische Laufbahn im Dienste des preußischen Staates ein, diente ab 1833 unter der griechischen Krone und fünf Jahre lang in einem österreichischen Dragoner-Regiment. Danach setzte er seine schon früher begonnenen Studien bei Auslandsaufenthalten und in verschiedenen deutschen Städten fort.
Als begeisterter Anhänger der Deutschen Revolution 1848/49 kehrte er aber der Monarchie den Rücken und gründete mit republikanischer Gesinnung in Wiesbaden eine „Freie Zeitung“. 1849 wurde Conrad Joseph Diepenbrock Mitglied der Militärkommission der provisorischen Regierung in Baden, musste aber nach der Niederwerfung der dortigen Republik in die Schweiz fliehen. Seither betätigte er sich als Schriftsteller und kehrte später als solcher nach Deutschland zurück. Zu seinen Werken gehören Erzählungen, zahlreiche Gedichte sowie politische Abhandlungen. Am 26. Juni 1884, einen Tag vor Vollendung des 76. Lebensjahres, verstarb Diepenbrock mittellos in Limburg an der Lahn.
„… und es gibt kein Totenbildchen, keinen Nachruf, weder von Seiten der Familie noch von öffentlicher Stelle, keine Gedenktafel, weder in Limburg noch in Bocholt“, schreibt der verstorbene Oberstudiendirektor Werner Schneider in seiner 1998 erschienenen ausführlichen Biographie über Conrad Joseph Diepenbrock. Doch immerhin: Eine bislang einzigartige Fotografie tauchte unlängst in einem Nachlass in den Niederlanden auf und überliefert der Nachwelt das Bildnis des aus Bocholt stammenden bemerkenswerten Revolutionärs und Schriftstellers.

Foto: Stadtarchiv Bocholt, Text: Wolfgang Tembrink

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