Stadtgeschichte: Die Fußgängerbrücke an der Industriestraße



Bocholt (PID). Auf Vorschlag der Handelskammer Wesel ließ die Königliche Eisenbahndirektion Münster Anfang August 1909 am Bahnübergang an der Industriestraße eine Fußgängerbrücke erbauen. Sie diente der besseren Abwicklung des Personenverkehrs am Bocholter Bahnhof.
Zur Vorgeschichte
Schon 1878 hatte die Stadt Bocholt eine Bahnverbindung nach Wesel erhalten. Und es war gerade die Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, als die Einwohnerzahl durch die rapide Ausdehnung der örtlichen Textilindustrie erheblich zunahm. Dabei verzeichneten die äußeren Stadtteile, darunter das Gebiet auf dem Fildeken, den größten Bevölkerungszuwachs. In den neunziger Jahren entstanden dort in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes mehr als 80 neue Wohnhäuser. Ferner lagen seinerzeit an der Industriestraße die Fabriken der Bocholter Baumwoll-Industrie Schüring & Herding, Beckmann, Albert Schüring sowie Stern & Loewenstein, die allesamt über 600 Arbeiter beschäftigten.
Der Fuhrwerks- und Fußgängerverkehr vom und zum Bahnhof entwickelte sich in diesem Bereich demnach sehr rege und nahm im Laufe der Jahre noch zu. Schon im Juli 1904 brachte die Handelskammer Wesel den Bau einer Eisenbahnunterführung ins Gespräch. Dagegen ließ die Stadtverwaltung einen Monat später den Entwurf zur Herstellung einer Überführung landespolizeilich prüfen. Es wurde schließlich als nachteilig empfunden, dass der Bahnübergang auf Grund des ständigen Rangierens der Güterwagen immer wieder mit Hilfe der Schranken gesperrt werden musste. Zum Bau einer Fußgängerbrücke konnte sich die Eisenbahnbehörde allerdings erst im Frühjahr 1909 entschließen, zumal sich der freie Personenverkehr am Bahnübergang Industriestraße nicht nur durch die in den Fabriken beschäftigten Arbeiter, sondern sich darüber hinaus durch die zahlreichen Schulkinder der 1908 erbauten Fildekenschule erheblich vermehrt hatte.
Mehrmonatige Unterbrechung
So begannen Ende März 1909 die Ausschachtungs- und Fundamentierungsarbeiten für die Fußgängerbrücke. Der Bau erfuhr jedoch eine mehrmonatige Unterbrechung und konnte erst nach Eintreffen der Eisenkonstruktion Mitte Juli fortgesetzt werden. Nach deren Montage wurde die Brücke drei Wochen später fertiggestellt und in Betrieb genommen. Sie überspannte insgesamt sechs Gleise.
Das in den fünfziger Jahren entstandene Foto zeigt die Fußgängerbrücke von Nordwesten mit ihrem Aufgang vor dem Gasthaus Matschke an der Ecke zur Ewaldstraße. Der Aufgang am dortigen Abladestrang war rechtwinklig gehalten, unterbrochen nur durch eine Zwischenplattform. Links ist der eigentliche Bahnübergang für den Fahrverkehr an der Industriestraße mit der Abzweigung in die Franzstraße zu sehen. Rund 65 Jahre nach ihrer Errichtung wurde die Fußgängerbrücke im Zuge der modernen Verkehrsführung zwischen Bahnhof und Theodor-Heuss-Ring wieder beseitigt.
Foto: Stadtarchiv Bocholt, Text: Wolfgang Tembrink

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