Stadtgeschichte: In den stillen Gärten des Südwalls



Bocholt (PID). In einem Sommer der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde das vorliegende Foto aufgenommen, das dem Betrachter einen Einblick in die weiten und stillen Gärten des Südwalls vermittelt. Hier eröffnet sich ihm eine Zusammenschau von Flusslandschaft, parkähnlicher Idylle und ländlicher Natur mit Stadtrand-Atmosphäre. Und doch entstand diese Aufnahme unmittelbar im Bocholter Innenstadtbereich.
Angesichts der gegenwärtigen Bebauung und der Veränderungen in der Vegetation mag eine Orientierung in heutiger Zeit schwer fallen. Stellt man sich aber auf den Parkplatz neben dem Neubau am Theodor-Heuss-Ring und richtet seine Blicke in Richtung Südwall, lässt sich vielleicht der Standort des Fotografen von einst erahnen.
Er hat sich auf dem Gartengrundstück des Fabrikanten Paul Herding (Südwall 18) in Position gebracht und richtet seine Kamera über eine Wiese nach Südwesten. Rechts ist das Wohnhaus der Familie Borgers zu sehen. Wenn man von dieser Stelle die Wiese überquerte und auf das Haus zuging, gelangte man direkt zum Stadtgraben. Dieser zweigte von der Aa ab, führte am Borgers’schen Haus vorbei und nahm seinen weiteren Verlauf in die Stadt, bis man ihn im August 1935 beseitigte. Dort, wo sich Stadtgraben und Aa kreuzten, befand sich zudem die sogenannte Stadtbleiche.
Die Bürger aus der Umgebung kamen früher hierher, wuschen ihre Wäsche im Fluss und legten sie zum Trocknen und Bleichen auf der Wiese aus. Hinter dem Zaun mit den Hecken und niedrigen Bäumen ganz links lag damals noch ein weiteres Gewässer, welches die Grundstücke von Paul Herding am Südwall und des Fabrikanten Werner G. H. Schwartz an der Bismarckstraße 16 trennte. Es handelte sich um die „Umflut“ der Aa, die auch „Fischerei“ genannt wurde. Im Kreuzungspunkt von Aa und Stadtgraben zweigte dieser Flussarm nach Osten ab und endete unmittelbar an der Bismarckstraße. Dieser Ausläufer diente in der Vergangenheit bei Überschwemmungen als zusätzlicher Wasserspeicher. Als man zur Vermeidung von Hochwasser den Verlauf der Aa regulierte, wurde die Umflut im Jahre 1969 zugeschüttet.
In der Bildmitte sieht man die Bocholter Aa mit den am Ufer stehenden Trauerweiden. Im Wasser spiegelt sich der weiße Pavillon aus dem Garten des Kommerzienrates Max Herding (Südwall 8). In der Ferne ragt schließlich über allem der Turm der St.-Josef-Kirche auf.
Foto: Stadtarchiv Bocholt, Text: Wolfgang Tembrink

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert