Statt Marketing – über zwei verschiedene Welten in Bocholt

Eine Analyse von BERTHOLD BLESENKEMPER
„Besser nach Bocholt“, hieß es früher. Das war noch zu der Zeit, als die größte Kommune im westlichen Münsterland nach außen hin vornehmlich Einkaufsstadt war und mit einem klaren Profil die Menschen von weither anlockte. Heute ist Bocholt nur noch selten Einkaufsstadt, dafür aber ganz offiziell mal Zukunftsstadt, mal Europastadt, mal Hochschulstadt, mal Fahrradstadt, mal Fair-Trade-Stadt, mal Sportstadt, mal Industriestadt im Grünen, mal Best Christmas City und mal Klimakommune. Viel hilft viel, so die Devise. Auf der Strecke bleibt die Markenbildung – keine Strategie, kein Profil, kein Claim, keine Identität.
Wie man es besser macht, zeigt weniger Kilometer weiter das kleine Rhede. „Das Lächeln im Münsterland“ wird dort immer und überall propagiert, und zwar so konsequent, bis der unbedarfte Betrachter wahrscheinlich irgendwann tatsächlich an ein sympathisches kleines Städtchen in einer heilen Welt glaubt. Jenseits der Grenze überzeugt derweil „100 Prozent Winterswijk“ mit einem hohen Maß an Professionalität und Digitalkompetenz.
Eines vorweg: An Ludger Dieckhues und seinem hochengagierten Team allein liegt es nicht, dass das hiesige Stadtmarketing statt mit Marketing hauptsächlich mit Eventmanagement und Wochenmarkt- oder Kirmesorganisation beschäftigt ist. Der Teufel steckt halt im System. Das zeigt sich am deutlichsten im Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Die Einsparpotenziale der Halbprivatisierung des vor Jahren ausgegliederten Stadtmarketings und der Wirtschaftsförderung hat im Rathaus offenbar erhebliche finanzielle und personelle Potenziale freigesetzt. So leistet sich die Verwaltung inzwischen eine Pressestelle mit zwei Textern, einem Fotografen und einer Mediengestalterin samt dazugehörender professioneller Hard- und Softwareausstattung. Rein zahlenmäßig ist die Pressestelle damit genauso groß wie die komplette Wirtschaftsförderung. Das erlaubt es der Behörde sogar, eigene Reporter zu Fußball-Stadtmeisterschaften, Karnevalsveranstaltungen, Hallenturnieren von Privatfirmen und vielen anderen nicht städtischen Events zu schicken und zum Teil aktuell zu berichten.
Diametral entgegengesetzt dazu verhält es sich derweil beim Stadtmarketing. Das sollte eigentlich mit guten Slogans, Texten, Fotos und Videos sowohl Öffentlichkeitsarbeit als auch Marketing für Bocholt betreiben und so Firmen, Kunden und Geld in die Stadt holen. Aber im Stadtmarketing gibt es leider weder professionelle Texter und Fotografen noch entsprechendes Equipment. Kein Problem sollte man meinen. In dem Fall kann doch das Presseamt für das Stadtmarketing mitarbeiten, oder? Geht aber nicht. Denn das Stadtmarketing und die Wirtschaftsförderung sind keine 100prozentigen Töchter der Stadt. Der Verwaltungslogik folgend, muss das Stadtmarketing folglich Leistungen des Presseamtes nach den üblichen Regelsätzen in Euro und Cent vergüten. Dafür aber haben Dieckhues und Co. kein Geld. Die Folge: Beide Seiten arbeiten mehr nebeneinander her als miteinander – die Verwaltungs-PR in komfortabler Bestbesetzung, das Stadtmarketing auf wenig erwärmender Sparflamme.
Die Folge: Flyer wie beispielsweise die aktuellen für „Bocholt blüht“ werden mit scheinbar zusammengeklaubten Fotos bestückt und auf Billigpapier gedruckt. Und auch für professionelle Fotos und Texte hat das Stadtmarketing kein Geld. Oft setzten sich der Ludger Dieckhues und sein Team nach einem langen und auch wegen des anschließenden Schleppens von Materialen und Absperrungen kräftezehrenden Events selbst noch an den PC und schicken Infos an die Presse. Bewundernswert dieser Einsatz. Marketing jedoch ist mehr…
Lesen Sie morgen an dieser Stelle Teil 2 unserer Analyse: „1000 und 1 Webseite – über das Digitalchaos in der Stadt“
Hans Benno Hein says:
Genau so ist es. Man macht die Stadt kaputt. Seit Jahren bringe ich Ideen. Nix geht. Ich bin noch immer bereit gratis mit Know-how zu unterstützen.