Europas führende Fahrradstadt – eine Vision für Bocholt



Ein Kommentar von BERTHOLD BLESENKEMPER

Früher gab in Bocholt noch Menschen mit Visionen. Der ehemalige Stadtbaurat Klaus Fehlemann war ein solcher. Er schlug schon vor Jahrzehnten vor, die ganze Innenstadt zu überdachen. Damals hielt man ihn für ein wenig verrückt. Heute wäre Bocholt berühmt, hätte man seine Idee von damals verwirklicht. Stattdessen hat sich die Stadt jahrelang im Klein-Klein verstrickt. Wie an dieser Stelle schon einmal kommentiert, ist sie mal Einkaufsstadt, mal Zukunftsstadt, mal Europastadt, mal Hochschulstadt, mal Fair-Trade-Stadt, mal Sportstadt, mal Industriestadt im Grünen, mal Best Christmas City und mal Klimakommune. Bocholt ist alles und damit eigentlich nichts.

Dabei wäre die Sache so einfach. Bocholt müsste sich konsequent auf das konzentrieren, was es eigentlich immer schon erfolgreich ist und war: Fahrradstadt. Nein, das ist zu wenig: Europas führende Fahrradstadt müssten wir sein. Eine Stadt mit den besten Fahrradhändlern (haben wir schon), mit einer großen jährlichen Fahrradmesse (haben wir in Ansätzen schon), mit schönen Radwegen (haben wir schon), mit digitalen Fahrrad-Verleih- statt manuellen -Flickstationen, mit einem Park-and-Bike-System, mit einem Fahrradmuseum (viele historische Exponate gibt es schon in der Stadt), mit einer Radspur auf dem Ring (eine Idee der Grünen), mit einem auf Zweiradentwicklung konzentrierten Maschinenbaustudium an der FH, mit Fahrradschnellwegen in die Außenbereiche, mit einer Bike-Hall an der Kaiser-Wilhelm-Straße ;-), einem Bike-Hotel, mit einer weitestgehend autofreien City (ansatzweise schon von der SPD vorgeschlagen) und, und, und. Ganz autofrei funktioniert nicht? Doch! Die spanische Stadt Pontevedra hat es bewiesen.

Mit einer solch konsequenten Ausrichtung und Markenbildung würde Bocholt fünf Fliegen mit einer Klappe schlagen. 

  1. Die Stadt hätte endlich ein gemeinsames Ziel
  2. Bocholt würde weithin bekannt werden
  3. City und Tourismus würden gestärkt
  4. Der Klimaschutz würde deutlich verbessert
  5. Investitionen würden sich schnell amortisieren

„Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“, soll Alt-Kanzler Helmut Schmidt mal gesagt haben. Ich halte es da mehr mit den Japananern. Die haben folgendes Sprichwort: „Eine Vision ohne Handeln ist ein Tagtraum. Handeln ohne Vision ist ein Albtraum!“

  1. Die Argumentation ist nachvollziehbar. Mich beschleicht in letzter Zeit das Gefühl, dass es weniger um konkrete Ziele und eine interessante Lösung geht – sondern vielmehr um die Verwendung und Nutzung von Fördermitteln!

    Auf der einen Seite ist die Nutzung von Fördermitteln gut, weil sie Projekte ermöglichen, die ohne Förderung nicht finanzierbar währen oder durchgeführt würden.

    Auf der anderen Seite kann es doch nicht sein, dass wir Fördermittel nur nutzen, um irgendwelche Projekte ins Leben zu rufen, die nicht zielführend sind. Es sind ja schließlich Steuergelder die dort verwendet werden.

    Fazit: Seht erst einmal den Bürgernutzen – dann den Nutzen für den wirtschaftlichen Standort und dann richtet den Fokus auf Projekte, die Besucher magisch anziehen. Ein schönes Rathaus, vor einer Eventhalle oder Umbau der alten Bahnlinien zu Fahrradwegen ist der falsche Schritt. Auch wenn dafür Fördermittel zur Verfügung stehen.

  2. Mich Nyenhuis says:

    Selbst in kritischen Fernsehsendungen spricht man bei Radschnellwegen von Auslaufmodellen. Die Bürgermeister der Anliegerstädte des so hoch gelobten RS 1 überlegen, wie man den Radschnellweg beleben kann. Übereinstimmende Auskunft: hätten wir die Schienen drauf gelassen und einen vernünftigen SPNV eingerichtet, hätten wir Pendler von der Straße geholt. Bocholt braucht vernünftige und mehr Radwege, aber wir müssen deswegen keine Steuergelder verschwenden. Dafür gibt es andere Verwendung.

  3. D. Termath says:

    Ich frage mich, wem nützt es, wenn wir tatsächlich eine so tolle Fahrrad-Stadt sind? Fürs Marketing… sicherlich. Der Umwelt – klar, wenn einige Pendler zur Arbeit aufs Fahrrad umsteigen. Der Wirtschaft? Sicher nicht… Als Einkaufsstadt, die Autofeindlich wird, verlören wir viele Kunden aus dem näheren Umland. Oder glauben die Fahrrad-Fanatiker, dass Leute zum Einkaufsbummel aus Winterswijk, Aalten, Doetinchem, Hamminkeln, Isselburg, Rees etc. mit dem Fahrrad anreisen? Ernsthaft? Wer mit dem Rad zur Arbeit möchte, kann dies jetzt schon tun… sehr bequem, so schlecht sind die Radwege in Bocholt nicht. Einige Vorschläge sind sehr nett (Fahrrad-Messe etc) und tun niemandem weh… aber Autos komplett aus der Innenstadt so konsequent verdrängen wie z.B. in Groningen – dass vernichtet unsere Existenz. Und wir werden sicherlich nicht auf Rikschas umstellen! Ich rate dazu wegen der Visionen vielleicht doch mal zum Arzt gehen!

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