Seminar zum Thema „Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche“



Die Betroffenen bei der Aufarbeitung immer im Blick zu haben, das ist eine der wichtigen Botschaften von Diplom-Pädagogin Carmen Kerger-Ladleif an die Seelsorgerinnen und Seelsorger des Dekanates Bocholt. Bei ihrer Klausurtagung haben sich die Teams aus den Pfarreien in Bocholt, Isselburg und Rhede unter der Leitung von Dechant Rafael van Straelen mit der „Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Kirche“ und den Folgen im Einzelfall für die Pfarreien auseinandergesetzt. Kerger-Ladleif, die aus Hamburg kommt und dort des Öfteren schon für das Erzbistum gearbeitet hat, war zu diesem Themenkomplex als Referentin eingeladen.

Da in der Vergangenheit mehrere Fälle sexuellen Missbrauchs im Dekanat Bocholt öffentlich geworden waren, konnten viele der Seelsorgerinnen und Seelsorger von eigenen Erfahrungen berichten. „Nach Bekanntwerden eines Falles ist nichts mehr wie es vorher war“, erklärte einer der Teilnehmer. Carmen Kerger-Ladleif warnte davor, das Thema zu verdrängen und totzuschweigen: „Um ein langfristiges Trauma zu verhindern, muss über das schlimme Ereignis gesprochen werden.“

Um die Gefahr des Missbrauchs in Zukunft nach Möglichkeit zu minimieren, gelte es, die Risikofaktoren zu benennen: „In diesem Prozess geht es um die Perspektive nach vorne“, betonte die Fachfrau. Ziel sei es, die Krise zu bewältigen und nicht nach Schuldigen zu suchen: „Schuld hat der Täter“, fasste es Kerger-Ladleif in einem Satz zusammen.

Im Austausch wurde deutlich, dass es zwei Ebenen der Aufarbeitung gibt: die der betroffenen Pfarrei und die des Bistums. Wer in der Bistumsleitung wann welche Fehlentscheidungen getroffen habe, sei das eine. In den Pfarreien gehe es vor allem darum, die Betroffenen zu schützen, sie ernst zu nehmen, ihnen zuzuhören und durch eine Aufarbeitung Vertrauen wiederherzustellen. Bei all dem, fügte Pfarrer Thorsten Schmölzing aus Rhede an, werde seine Pfarrei vom Bistum begleitet. Wie die Betroffenen, bräuchten auch die Leitungsverantwortlichen sowie die Pfarreien als Institutionen Unterstützung. Einig waren sich alle Teilnehmer der Klausurtagung, dass dazu auch ein Gespräch mit Vertretern der Bistumsleitung vor Ort gehöre.

„Mit dem Wissen von heute“, erklärte Kerger-Ladleif, seien immer Hinweise auf einen möglichen Missbrauch erkennbar gewesen: „Ich sehe, was ich kenne.“ Dieses Bewusstsein sei bei der Präventionsarbeit von Bedeutung.

Die Seelsorgerinnen und Seelsorger aus dem Dekanat Bocholt zeigten sich am Ende dankbar für die fachlichen Hilfestellungen der Expertin: „Es ist gut, im Ernstfall, den sich niemand von uns wünscht, einen Leitfaden zu haben.“

Die Aufarbeitung, gab Carmen Kerger-Ladleif den Teams abschließend mit auf den Weg, brauche Zeit und einen langen Atem: „Es ist ein schmerzhafter Prozess, ohne den es aber nicht geht.“

Text Gudrun Niewöhner

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