Verloren im Dickicht des Konzerns Stadt



Ein Kommentar von BERTHOLD BLESENKEMPER

Die Verwaltungsspitze nennt es ganz offiziell „Konzern Stadt“. Gemeint ist das dichte Dickicht von (teil)privatisierten Gesellschaften und Vereinen, die nur einen Zweck haben: Steuern sparen und öffentliche Gelder ergattern. Das klingt so, als würde sich eine Gesellschaft durch linke-Tasche-rechte-Tasche-Spielereien selbst bescheißen. Und genau so ist es auch.

Aber egal. Viel schlimmer ist, dass in dem Gewirr aus BEW, ESB, TEB, BBG, ABG, StBG, GWB, SBQ und anderen Töchtern die Verantwortlichen langsam aber sicher den Überblick zu verlieren scheinen. Die Stadtverordnete Ruth Rümping (SPD) brachte es jetzt im Haupt- und Finanzausschuss eher unfreiwillig auf den Punkt. Es ging darum, dass die Stadt mit der „SBQ – Stadtquartiere Bocholt GmbH“ (wieder einmal) eine Gesellschaft gegründet hatte, um hauptsächlich mehr öffentliche Zuschüsse des Landes zu erhalten. Pech nur, dass daraus nichts wurde. Der Verwaltung hatte sich „leider“, wie sich Bürgermeister Peter Nebelo entschuldigte, verkalkuliert und bereits vor Gründung eine falsche Aussage getroffen.

Zugegeben: So etwas kann und darf passieren. Erschreckend aber war Ruth Rümpings empörte Feststellung: „Wir sind ja alles nur Ehrenamtliche. Wir können das doch nicht wissen.“ Man müsse der Verwaltung schließlich vertrauen, meinte sie. Nein, Frau Rümping, muss man nicht. Im Gegenteil:  In § 55 der Gemeindeordnung heißt es in Absatz 3 „Der Rat überwacht die Durchführung seiner Beschlüsse und der Beschlüsse der Bezirksvertretungen und Ausschüsse sowie den Ablauf der Verwaltungsangelegenheiten“. Und zur Überwachung gehört – zumindest manchmal – auch ein gesundes Maß an Misstrauen. Das gilt erst recht in einem „Konzern“.

Noch etwas ist problematisch an dem Konzern-Ansatz. Die Geschäftsführer von Tochtergesellschaften mit beschränkter Haftung sind  – anders als Amtsleiter oder Dezernenten und mit ihnen die komplette Verwaltung – in keiner Weise dem Gemeinwohl, sondern einzig und allein dem Wohl der Gesellschaft verpflichtet. Deren Ziel wiederum muss es sein, dauerhaft Gewinne zu erzielen. Sonst gilt sie als „Liebhaberei“, und vorbei ist es mit den schönen Steuervorteilen.

Das führt im Umkehrschluss dazu, dass die städtischen Gesellschaften sich mit der Zeit zu immer mehr geschäftlichen Tätigkeiten hinreißen lassen, wie sie die Stadt selbst (und ihre Gesellschaften) nach § 107 der Gemeindeordnung gar nicht ausüben dürften. Plötzlich betreiben städtische Töchter ein Hotel, bieten Datendigitalisierung als Dienstleistung an, eröffnen ein Cafe, organisieren gegen Geld Events, heuern Ehrenamtliche für Arbeiten an, beteiligen sich an anderen, auswärtigen Gesellschaften und, und, und.

Fazit: In einer immer komplexer werdenden Welt sollten Ehrenamtliche darauf achten, alles nicht noch komplexer zu machen. Weniger ist manchmal mehr. Das gilt auch für Privatisierungen.

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