Von der Demokratie zur Diktatur – „Das ist bei uns nicht möglich“ – Denkste!
Eine Buchrezension von BERTHOLD BLESENKEMPER
Was geschieht eigentlich, wenn ein radikaler Populist ins Weiße Haus einzieht und die angeblich wehrhafteste Demokratie der Welt schrittweise in eine Diktatur umbaut? „Das ist bei uns nicht möglich“ hat der amerikanische Literatur-Nobelpreisträgers Sinclair Lewis seinen fiktiven Roman übertitelt … – um dann auf rund 440, von Hans Meisel genial ins Deutsche übersetzten Seiten genau das Gegenteil zu beschreiben. Keine Sensation, sollte man angesichts des aktuellen Wahlkampfes von Donald Trump in den USA meinen. Nur: Sinclair hat dieses Buch vor fast 90 Jahren, noch vor der Geburt Trumps veröffentlicht. Und als Leser läuft es einem eiskalt den Rücken herunter, wie exakt der Autor die (denkbare) Zukunft seines und wohl auch so manch anderen Landes vorhersieht.
Parallelen zu Deutschland, wo sich die rechtsradikalen Wölfe heute wieder gerne in demokratisch aussehende Schafspelze hüllen, sind durchaus erlaubt. Ein Beispiel hierfür ist der jüngste Antrag der äußerlich meist moderat daherkommenden Bocholter AfD, Teile der lokalen Presse wegen einer ihrer Meinung nach unpassender Berichterstattung des Ratssaales zu verweisen. Ein erster Schritt zum Gipfel der Verfassungsfeindlichkeit. Und eine Offenbarung, wie die Partei tickt.
Doch zurück zum Buch. Antiheld der Geschichte ist Berzelius („Buzz“) Windrip, der rüpelhaft mit populistischen, christlich fundamentalen Hetzreden den Nerv einer sich schwer vernachlässigt fühlenden,überwiegend weißen amerikanischen Mittelschicht trifft. Er pfeift auf Außenpolitik, diskreditiert die „Altparteien“, verspricht das Blaue vom Himmel und kennt nur eine Devise: Amerika zuerst.! Kommt ihnen das bekannt vor?
Unterstützt wird der Kandidat von den MM-Männern (Minute Men), die wehrhaft durch die Städte marschieren und sich immer mehr zu einer Parallel-Polizei entwickeln. Windrip, von seinen Anhängern später nur noch „Der Chef“ genannt, wird tatsächlich gewählt und lässt als erstes die obersten Gerichte des Landes durch seine Gefolgsleute besetzen. Dann beeinflusst er entscheidende parlamentarische Entscheidungen, indem seine Gegner durch MM-Männer am Kommen und damit an der Stimmabgabe gehindert werden. Es folgen Schritt für Schritt Bücherverbrennungen, die Gleichschaltung der Presse, willkürliche Prozesse, standrechtliche Erschießungen und schließlich blanker Terror.
Vieles hat Sinclair Lewis von de Nazis in Deutschland übernommen. Dabei half ihm seine zweite Ehefrau Dorothy Thompson, die in den 30er Jahren bis zur Ausweisung durch das Hitler-Regime für die New York Evening Post in Berlin arbeitete und jede Menge Briefe mit Infos nach Hause schickte. Vieles aber ist eben auch typisch amerikanisch. Oder doch nicht? Denn: „Das ist bei uns nicht möglich“ ist das Credo aller überzeugten Demokraten der Welt. Und doch lassen sie die radikal schamlosen, verfassungsfeindlichen und menschenverachtenden Kräfte auch in unserem Land (wieder ) gewähren.
Ich danke der fliegenden Buchhändlern in Berlin, die mir den Roman abends in eine Kneipe „für kleines Geld“ aufgeschwatzt hat. Er war jeden Cent seines Preis wert!
Lupo says:
Schreiben Sie lieber mal über die Bolschewiken in Berlin und den Kommunen, welche aus Angst vor Machtverlust Oppositionen verbieten möchten!