Von „katastrophalen Zustand“ bis „Weltuntergangsrhetorik“ – Die City als Zankapfel der Politik



Von BERTHOLD BLESENKEMPER

Die Soziale Liste schlägt Alarm und sieht die City in einem „katastrophalen Zustand“. Die CDU kontert und warnt davor, das Herz der Stadt mit „Weltuntergangsrhetorik“ kaputtzureden. Wie aber steht es tatsächlich um die City? Wir haben nach Antworten gesucht.

Zu den Tatsachen: Die Zentralitätskennziffern der Bocholter City sind dramatisch gesunken. Wer an Wochentagen durch manche Bereiche der Fußgängerzone schlendert, findet kaum noch jemand, den er grüßen kann. Schlimmer noch ist, dass die Bocholter selbst die Innenstädte von Wesel und Winterswijk für attraktiver halten. „Nörgends bäter as in Bokelt“ war offenbar einmal. Dieser Imageverlust im eigenen Haus tut besonders weh.

Schuld an diesem faktisch unbestreitbaren und sicht- wie auch spürbaren Attraktivitätsverlust trägt die falsche Prioritätensetzung im Rathaus. In den vergangenen Jahren wurde zunächst ein medizinischer „Abfangjäger“ in Stenern errichtet. Dann ging es ausschließlich nur noch um Stadtentwicklung auf dem KuBAaI-Gelände. Jetzt soll auch noch der Aa-See zu einem gastronomischen Abfangjäger ausgebaut werden. Das ist sicherlich gut für Bocholt, schwächt aber die Innenstadt.

Vor diesem Hintergrund wäre es sinnvoll gewesen, für die City schnell und einfach, vor allem aber parallel Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Mehr kostenlose Parkplätze oder die deutliche Senkung, besser noch Abschaffung der für gastronomische Existenzgründer unbezahlbaren Parkplatzablöse wäre eine solche Chance gewesen. Stattdessen wurden erst einmal teure und (natürlich) externe Gutachter engagiert, um die Situation zu analysieren. „Das Einzelhandelskonzept und das Konzept Flächenmanagement 2.0 ist eher als eine Beruhigungspille zu sehen, um das Gefühl zu vermitteln, es werde was getan“, meint die Soziale Liste. Und da ist durchaus etwas dran.

Auch in Sachen Digitalisierung wurden eklatante Fehler gemacht. Statt einfache, schnelle und begreifbare Lösungen zu realisieren und mit Hilfe sozialer Netzwerke konsequent und massiv für Bocholt zu werben, setzt man jetzt auf künstliche Intelligenz, Blockchain und digitale Hubs. Hier gilt (wie so oft in Bocholt): Gemacht wird, was der Förder-Bürokratismus in Düsseldorf oder Berlin ausheckt. Ob das auch für Bocholt passt, wird nicht hinterfragt. Hauptsache, es kostet nix. Das merkt man in Sachen Digitalisierung spätestes dann, wenn man verzweifelt versucht, sich ins Freifunk-Netz einzuloggen. Schlimmer kann digitale Anti-Werbung nicht sein.

Dabei war Bocholt schon mal auf einem sehr guten Weg. Die Workshops in Vorbereitung des Flächenmanagements 2.0 waren ein Musterbeispiel für Basisbeteiligung und gemeinsames Anpacken. Warum macht man in dieser Richtung nicht weiter? Der CDU-Ortsverband Mitte hat heute angekündigt, erste Gespräche mit Akteuren aus der Innenstadt noch im Januar führen zu wollen. Das ist ein Anfang. Auch hat die Union Recht, wenn sie in Richtung Soziale Liste erklärt: „Das ständige Schlechtreden der Bocholter Innenstadt schadet dem Standort Bocholt weitaus mehr als vereinzelt leerstehende Ladenlokale.“

Aber es bringt genauso wenig, immer nur den Glanz und Gloria vergangener Tage zu beschwören und dabei beharrlich längst ausgetretene Pfade zu gehen. Und noch weniger hilft es, sich jetzt mit Hilfe von Pressemitteilungen gegenseitig anzupesten. Wie hat der in Duisburg geborene und bei Borussia Dortmund berühmt geworden Fußballlegende einmal so schön gesagt: „Grau ist alle Theorie – entscheidend is auf’m Platz“. Man könnte auch sagen: Nicht so viel quatschen, einfach mal machen!

Archivfoto: Made in Bocholt

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