Vortrag: „Willkommen im wahren Leben!“



Kreis Borken/Borken. Was bedeutet Inklusion für den Bereich der Kinder- und Jugendarbeit? Welche Herausforderungen, aber vor allem auch Chancen ergeben sich daraus? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigten sich Referent Rainer Schmidt und die Fachkräfte der Offenen Kinder- und Jugendarbeit auf Einladung des Kreisjugendamtes im Kreishaus Borken.
Rainer Schmidt ist Theologe und Profi-Tischtennisspieler. Er arbeitet als Dozent am Pädagogisch-Theologischen Institut in Bonn. Zudem ist er freiberuflich als Referent und Kabarettist unterwegs. Von Geburt an fehlen ihm beide Unterarme, nur am linken Oberarm sitzt ein kleiner Daumenansatz. Auch sein rechtes Bein ist verkürzt. Dort trägt er eine Orthoprothese. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Dozent hat er sich intensiv unter anderem mit dem Thema Inklusion in der Kinder- und Jugendarbeit sowie in der Schule beschäftigt. In mehreren Veröffentlichungen hat Schmidt seine Haltung zum Thema Behinderung dargelegt: zum Beispiel in seinen Büchern „Lieber Arm ab als arm dran – Grenzen haben, erfüllt leben“ oder „Spielend das Leben gewinnen – was Menschen stark macht“. Hierbei flossen vor allem seine eigenen Erfahrungen maßgeblich in seine Ausführungen ein.
„Wenn Sie gegen mich Tischtennis spielen, dann zeige ich Ihnen einmal, wer hier von uns beiden behindert ist“, leitete Rainer Schmidt, der als Tischtennisspieler mehrfacher Europa- und Weltmeister wurde und bei den Paralympischen Spielen mehrmals auf dem Siegerpodest stehen durfte, seinen Vortrag ein. Er erläuterte, warum gerade der Bereich der Kinder- und Jugendarbeit dem Tätigkeitsfeld der Schule eines in Sachen Inklusion voraushabe: Dort könne ohne Druck und ohne festes Leistungs- und Bewertungsschema mit den Kindern und Jugendlichen gearbeitet werden. Zudem würde jeder nach seinen Fähigkeiten gefordert und gefördert. Sicherlich müssten auch die Rahmenbedingungen stimmen, jedoch beginne Inklusion zuerst in den Köpfen der Menschen. Dann sei auch schon die größte Hürde geschafft, vorbehaltlos Angebote für behinderte und nicht-behinderte Kinder und Jugendliche zu machen.
Rainer Schmidt räumte mit vielen Vorurteilen und Vorbehalten auf. Zudem berichtete er von seinen eigenen Erfahrungen und Erlebnissen sowie seiner Sicht auf die Dinge als Mensch mit „gewissen Einschränkungen“.
„Seine Biographie, seine Haltung und seine Erfahrungen sind eine gute Motivation für Fachkräfte, etwas bewegen zu können“, sagt Ute Isferding, Leiterin der Abteilung Kinder- und Jugendförderung des Kreisjugendamtes. „Rainer Schmidt ermutigt sie, unvoreingenommen anzufangen, entsprechende Angebote auf den Weg zu bringen – ohne sich von äußeren Hemmnissen und Vorbehalten beeindrucken zu lassen.“
Dass sich eine solche Motivation in der Praxis umsetzen lässt, konnte das Beispiel „Vreden Inklusiv“ beweisen, das das Jugendwerk Vreden vorstellte. Die Sozialpädagogin Lea Nienhaus arbeitet in diesem vom Land geförderten Projekt speziell daran, Angebote in der Kinder- und Jugendarbeit für Jugendliche mit und ohne Handicap zu gestalten. Hierbei steht sie auch Vereinen und Verbänden zur Seite.
Im Anschluss an den Fachvortrag tauschten sich die Gäste über bereits bestehende Inklusions-Projekte und -Kooperationen aus. Zudem erarbeiteten sie gemeinsam Kriterien für die Praxis, um das Thema Inklusion in der Kinder- und Jugendarbeit vorantreiben zu können.

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