Widerstand gegen 250 Meter hohe Windturbinen an der Grenze wächst
Eine Reihe von zwölf 250 Meter hohen Windturbinen könnte bald von weitem die Grenze zwischen Deutschland und den Niederlanden bei Winterswijk markieren. Diese Problematik betrifft nicht nur Winterswijk, sondern auch die Anwohner an der Grenze zu Aalten, Oude IJsselstreek, Montferland und Zevenaar, die sich auf den Bau deutscher Windkraftanlagen in unmittelbarer Grenznähe einstellen müssen.
Trotz umfangreicher Gesetze und Vorschriften wird die niederländische Perspektive ignoriert, insbesondere das geschützte Landschaftsbild rund um Winterswijk sowie die Naturschutzgebiete in Babberich-Elten. An einigen Standorten stehen die Turbinen in einer Distanz von nur 75 Metern zu niederländischen Wohnhäusern.
Die Bürger wehren sich und haben ihre Bedenken bis zur Politik in Den Haag und Brüssel getragen. Der Gemeinderat von Winterswijk wird im November gemeinsam mit anderen betroffenen Gemeinden beraten, welche Schritte gegen die geplanten Bauvorhaben unternommen werden können und wie die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen bewältigt werden können. Es ist für die niederländischen Interessengruppen schwierig zu akzeptieren, dass sie in dieser Situation weniger rechtlichen Schutz genießen als ihre deutschen Nachbarn. Allerdings wächst das Widerstand auch auf deutscher Seite langsam.
Nach der Lockerung der Vorschriften für Windkraftanlagen durch die deutschen Regierungen infolge der Energiekrise, die durch den russischen Überfall auf die Ukraine ausgelöst wurde, haben deutsche Investoren ein Auge auf die Grenzregion geworfen. Wo zuvor ein Abstand von 1000 Metern zu Wohnhäusern vorgeschrieben war, sind es jetzt 500 Meter. Selbst in sensiblen Naturschutzgebieten erlaubt Deutschland den Bau von Windkraftanlagen.
Deutsche Landwirte in Grenznähe nutzen die Möglichkeit, ihre älteren und niedrigeren Windkraftanlagen durch höhere Turbinen zu ersetzen, die eine höhere Energieausbeute bieten. Die Überlegung dahinter ist, dass in den wenig besiedelten Gegenden der Widerstand geringer sei. Dennoch fehlen klare Regelungen dafür, wie mit Windkraftanlagen an der Landesgrenze umzugehen ist.
Die Unruhe und Machtlosigkeit unter den Anwohnern ist spürbar, da die niederländische und deutsche Politik unterschiedliche Standpunkte vertreten und die Regelungen in den Niederlanden strenger sind, insbesondere in Bezug auf Schattenwurf, Lärm und Naturschutz. In der Grenzregion stehen niederländischen Bürgern Windturbinen direkt vor der Haustür. “Das Ironische ist, dass Projektentwickler hier große Chancen sehen, obwohl viele Gebiete ab dem kommenden Frühling wieder unter den Schutzstatus fallen“, berichtet Ricarda Kleffel, die in der Nähe des Wooldse Veen lebt.
In Winterswijk haben sich die Bewohner bewusst entschieden, keine großflächige Windenergieproduktion zuzulassen und stattdessen stärker auf Solarenergie zu setzen. “Es wurde viel in die Kulturlandschaft investiert. Die Landwirte haben in kleinem Maßstab gearbeitet, und das wird nun über Nacht zunichtegemacht. Von Groenlo aus sind die Turbinen bereits sichtbar“, so Kleffel.
Die deutschen Bundesländer sind gesetzlich verpflichtet, einen Teil ihres Territoriums für Windenergie nutzbar zu machen und hierfür Pläne zu erstellen, ähnlich der niederländischen Regionalen Energiestrategie (RES). Diese Pläne müssen bis Mai nächsten Jahres vorliegen. Es ist unklar, ob die Windkraftanlagen in der Nähe von Winterswijk in den neuen Plan der Stadt Münster integriert werden können. Der Kreis Münster weist jedoch darauf hin, dass bis spätestens Ende 2026 2 Prozent der deutschen Landfläche für Windenergie bereitgestellt werden müssen.
In der Gemeinde Südlohn liegen bereits Anträge für neun Megaturbinen in den Gebieten Kotten und Ratum vor. Der Gemeinderat von Rhede hat das gesamte Grenzgebiet für die Aufstellung von Windkraftanlagen freigegeben. Zudem gibt es drei Anträge für hohe Windturbinen nahe ‚t Woold, doch Südlohn hat die Entscheidungsfindung vorerst ausgesetzt, da es an Zustimmung aus der Bevölkerung mangelt und die rechtliche Sicherheit als unzureichend angesehen wird. Auch die Schutzziele für diese ländliche Region auf niederländischer Seite, festgelegt durch die Politik in Winterswijk und von der Bevölkerung unterstützt, könnten durch diese Entscheidungen gefährdet werden, so die Meinung der Lokalpolitik.
Langsam nimmt auch der Widerstand auf deutscher Seite zu. Die niederländischen und deutschen Grenzanwohner arbeiten gemeinsam in ihren Protestaktionen. Der Tenor lautet: „Wir wohnen so nah beieinander, aber haben völlig unterschiedliche Regeln. Sind wir nicht ein vereintes Europa? Es ist äußerst seltsam, dass das Recht nicht für alle gleich ist.“
An der Bezirksregierung in Münster, die mit einer Provinz vergleichbar ist, sind bisher insgesamt hundert Stellungnahmen eingegangen. Auch die nördliche Euregio, unter dem Vorsitz des Winterswijker Bürgermeisters Joris Bengevoord, sowie Natur und Umwelt der Provinz Gelderland haben sich geäußert. „Es geht darum, wie man Rücksicht aufeinander nimmt“, so Ricarda Kleffel.
Inzwischen haben Anwohner aus dem Winterswijker Stadtteil Woold und die Arbeitsgruppe Ratum-Kotten Argumente gesammelt, um sich auf das europäische Recht zu berufen. Karin Pierik aus Ratum verweist auf das Meppener Abkommen von 1824, das den Bau innerhalb einer Zone von 376 Metern zur niederländisch-deutschen Grenze verbietet. Möglicherweise könnten die Niederländer darauf pochen.
Darüber hinaus hat Deutschland das NECP (Nationale Energie- und Klimaschutzplan) zu spät bei der Europäischen Kommission eingereicht, weshalb die Pläne noch nicht genehmigt werden konnten. Dies könnte bedeuten, dass die Regierung in Berlin und das Bundesland Nordrhein-Westfalen möglicherweise gegen europäische Vorschriften verstoßen.
Auch die Gemeinde Winterswijk prüft, wie sie die richtigen Stellungnahmen einbringen kann. Bürgermeister Gosse Visser und seine Kollegen haben sich regelmäßig in den Sitzungssälen ihrer deutschen Nachbarn gezeigt.
Was geschieht südlich von Winterswijk? Sowohl Ricarda Kleffel als auch Karin Pierik erfuhren zufällig von den Plänen zur Errichtung der Turbinen. Die niederländischen Nachbargemeinden werden nicht informiert. Oft handelt es sich um vorläufige Verträge mit Grundstückseigentümern, für die jetzt Anträge gestellt werden.
Deutsche Grenzgemeinden haben Karten veröffentlicht, die die Gebiete anzeigen, die aufgrund der 2-Prozent-Regelung für Windkraft freigegeben wurden. Dazu zählen u.a. Gebiete in der Nähe von Süderwick-Dinxperlo sowie zwischen Babberich und Elten. Zevenaar hat die Gemeinde Emmerich gebeten, so schnell wie möglich Informationen darüber bereitzustellen.
Auch in Montferland scheint die Politik besorgt auf die Entwicklungen in Deutschland zu reagieren, nachdem der Gemeinderat dort grünes Licht für die Errichtung von vier oder fünf hohen Windkraftanlagen in Azewijn gegeben hat – unter der Bedingung, dass das Dorf davon profitiert. „Das geschieht mit Bedacht“, sagt das Montferländer Ratsmitglied John Teunissen. „Sollte das auf der anderen Seite jedoch nicht der Fall sein, prognostiziere ich große Probleme.
Quelle: Regio8