Bocholt träumt vom „Auuuufstieeeeg“



Von BERTHOLD BLESENKEMPER

Die Stadt ist im Fußballrausch. Als momentaner Spitzenreiter der Regionalliga schwebt der 1. FC Bocholt auf Wolke sieben. „Auuuufstieeeeg“ skandieren die Fans. Tatsächlich hat der Verein die Lizenz für die 3. Bundesliga beantragt – ein Jahr früher als ursprünglich geplant. Das aber setzt die Verantwortlichen unter Druck. Ein neues Stadion muss her. Und noch mehr Profi-Strukturen. Ist das zu schaffen? Mit der momentanen Euphorie im Rücken durchaus, meinen fachkundige Beobachter.

Größtes Manko des Klubs ist nach wie vor die fehlende Infrastruktur. Für die dritte Liga bedarf eines Stadions für 5000 Zuschauer –  mit unter anderem mehr überdachten Sitzplätzen, VIP-Raum, Presse- und TV-Plätzen, taghellem Flutlicht und einer Rasenheizung. Geschätzter Kostenpunkt: ab 15 Millionen Euro aufwärts. Damit nicht genug: Für den Bau wäre nur ein Jahr Zeit. Länger darf ein Profiklub laut DFB-Statuten nicht auf fremden Platz spielen.

Dass das geht, hat der SV Verl bewiesen. 9,5 Millionen Euro hat derzeitige Tabelleneunte für die dritte Liga in seine Sportclub-Arena investiert. „Schmuckkästchen“ nennt Pressesprecher Norbert Meyer denn auch stolz das in Modulbauweise entstandene Stadion und schickt auf unsere Bitte ein Foto (siehe oben), das diesen Eindruck unterstreicht. 

Anders als der 1. FC Bocholt musste Verl allerdings nicht bei Punkt null anfangen. Teile der Arena gab es auch schon zu Regionalligazeiten. Miteigentümer des Stadions ist die Stadt Verl, die das Grundstück einbrachte und vier Millionen Euro dazugab. Ein Modell auch für Bocholt? Thomas Kerkhoff kann sich das zurzeit nur schwer vorstellen. Die Stadt stehe vor großen Aufgaben, meint der Bürgermeister im Gespräch mit Made in Bocholt und verweist auf die Rathaussanierung, die notwendigen Schulneubauten, den Nordring, den Ruf nach einem großen Saal und vor allem auf die für den Haushalt 2026 prognostizierte Liquiditätskrise .

Auf der anderen Seite verspürt auch die Politik mehr und mehr die latente Unzufriedenheit in der Bevölkerung und das trügerische Gefühl vieler, dass es inzwischen „öwerall bäter is as in Bokelt“. Das ist die große Chance des 1. FC. Profifußball könnte Bocholt aus einer Art Lethargie herausreißen. „Eine Drittliga-Mannschaft würde hier einiges bewirken“, meint denn auch Sportgeschäftsführer Christopher Schorch im Interview mit dem BBV. Gleichzeitig verweist er auf eine Studie, die aufzeigt, dass die Stadt Münster durch den Drittliga-Aufstieg ihrer Preußen 25 Millionen Euro jährlich mehr an Steuereinnahmen einnimmt. Auch der positive Marketingeffekt wäre nicht zu unterschätzen. Die Live-Übertragungen in den dritten Programmen und die Kurzzusammenfassungen in der Sportschau würden das leidige „Sommerhaus der Stars“ der RTL bei weiten überstrahlen und auch ma positive Schlagzeilen bringen

Was muss der 1. FC selbst dazutun? Er benötigt noch professionellere Strukturen. Hier scheint der Verein, anders als im vergangenen Jahr, auf einem guten Weg zu sein. Er braucht Sponsoren, die auch bereit sind, langfristig in die Infrastruktur zu investieren und den größten Teil eines neuen Stadions zu finanzieren. Auch das ist zurzeit nicht unmöglich. Außerdem braucht viel Glück. Und das ist das Einzige, auf das niemand so Recht Einfluss hat…

Foto: SC Verl

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