„Abschied nehmen – Sterben, Tod und Trauer“ – Eine Wanderausstellung des LWL



Pressemitteilung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL):
„Abschied nehmen – Sterben, Tod und Trauer“ – Eine Wanderausstellung des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe im kult Westmünsterland in Vreden

Nichts ist so sicher wie der Tod. Insofern betrifft das Thema „Abschied nehmen – Sterben, Tod und Trauer“ alle von uns einmal ganz persönlich. Eine Wanderausstellung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) mit diesem Titel blickt auf historische und aktuelle Aspekte des Umgangs mit dem Lebensende. Sie ist ab dem 20. November im kult in Vreden zu sehen.

„Schon der Ausstellungstitel löst viele persönliche Assoziationen aus. Wir denken an persönliche Verluste, lange Trauerphasen oder an liebe Menschen, deren Sterben bevorsteht“, so Ausstellungskuratorin Verena Burhenne vom LWL-Museumsamt für Westfalen. „Viele Menschen reagieren mit Abwehr auf das Thema. Tod und Sterben gehören aber zum Leben dazu und sind Teil unserer Kultur. Vielfältige Rituale können uns in solchen schweren Phasen Halt und Trost geben.“ Doch die Sterbekultur mit Totenglocke und Sterberitualen wie vor 200 Jahren gebe es schon lange nicht mehr, so Burhenne weiter.

Die Ausstellung widmet sich den Fragen: Wie gingen die Menschen früher mit dem Sterben um? Welchen Stellenwert hat es heute in einer säkularisierten und weltanschaulich differenzierten Gesellschaft? In acht Kapitel behandelt die Schau unterschiedliche Aspekte der Trauerkultur wie die Jenseitsvorstellungen, die Vorsorge und die Verfügungen für den Todesfall. Darüber hinaus beschäftigt sich die Ausstellung mit der Totenfürsorge, der Hospizbewegung und der Sterbehilfe. Gezeigt werden Versehgarnituren und Salbgefäße, die bei der Krankenölung durch den Priester eingesetzt werden. Beim letzten Abschiednehmen geht es unter anderem um den Beerdigungskaffee und die Trauerkleidung. Totenzettel und Kondolenzpost aus unterschiedlichen Jahrhunderten dokumentieren die Tradition des Abschiednehmens. Zwei Kapitel beschreiben den Wandel der Friedhöfe vom Gottesacker zur Parkanlage sowie zu den alternativen Bestattungsformen beispielsweise in den Friedwäldern. Stellvertretend für den Wandel stehen ein gusseisernes Grabkreuz aus der Zeit um 1900 sowie gestaltete Urnen aus abbaubaren Materialien.

Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit der Erinnerung an die Toten anhand von Gedenktagen, Post-mortem-Fotografien und dem Gedenken an gefallenen Soldaten. Zu sehen sind Haarbilder, die als sogenannte Zimmerdenkmale ein wichtiges Zeugnis des Gedenkens an liebe verstorbene Angehörige waren. Dabei wurden aus den Haaren der Verstorbenen oft Blumenmotive geformt. Im letzten Kapitel geht es sowohl um die Bestattungsinstitute als auch um andere Berufe, die rund um den Tod angesiedelt sind. Isabelle Christiani vom LWL-Museumsamt führte ein Interview mit einer Sterbeamme aus Arnsberg, das in einer Videostation zu sehen ist.

Ein Katalog, der für 14 Euro erhältlich ist, vertieft und erweitert die Themenbereiche und beschreibt die Ausstellungsobjekte. Darüber hinaus hat die LWL-Museumspädagogin Sophie Reinlaßöder ein Begleitprogramm für Erwachsene und Schulklassen sowie für Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt.

Rahmenprogramm zur Ausstellung:
Donnerstag, 17. November 2022, 19 Uhr
Kino im kult: Eine Leiche zum Dessert
USA 1976; mit Peter Falk, David Niven, Alec Guiness, Regie: Robert Moore
Ort: kult Westmünsterland
Teilnahme kostenlos, um Anmeldung unter Tel. 02861/681-1415 wird gebeten

Dienstag, 22. November 2022, 17 Uhr
Erzählcafé: Hospizarbeit im Ehrenamt
Ehrenamtliche des Hospizvereins Vreden erzählen in lockerer Runde bei einer Tasse Kaffee von ihren Erfahrungen.
Ort: kult Westmünsterland
Teilnahme kostenlos, um Anmeldung unter Tel. 02861/681-1415 wird gebeten

Donnerstag, 24. November 2022, 17 Uhr
Vortrag: Ehrenmale und Friedhöfe im Vredener Lande
Dr. Hermann Terhalle, Vreden
Buchvorstellung des neu erschienenen Bandes 104 der Schriftenreihe des Heimat- und Altertumsvereins der Vredener Lande e. V.
Ort: kult Westmünsterland
Teilnahme kostenlos, um Anmeldung unter Tel. 02861/681-1415 wird gebeten

Mittwoch, 30. November 2022, 18 Uhr
Podiumsgespräch: Trauer und Bestattungsrituale in den großen Weltreligionen
Gestorben wird immer – aber wie wird getrauert? Wie sehen die verschiedenen Trauer- und Bestattungsrituale in den unterschiedlichen Weltreligionen aus? Die Diskussion ist eine Möglichkeit, die Trauer und die dazugehörigen Riten zu kennen und besser zu verstehen.
Ort: kult Westmünsterland
Teilnahme kostenlos, um Anmeldung unter Tel. 02861/681-1415 wird gebeten

Dienstag, 10. Januar 2023, 19 Uhr
Vorsorge treffen?! – Möglichkeiten der Vorsorge mittels Vollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung
Für jeden von uns kann plötzlich und unerwartet der Fall eintreten, dass man selbst keine rechtsverbindlichen Erklärungen für sich mehr abgeben kann und somit formale, lebenspraktische oder auch gesundheitliche Belange nicht geregelt sind. Die Möglichkeiten der Vorsorge mittels Vollmacht, Betreuungs- und Patientenverfügung werden im
Rahmen eines Fachvortrages an diesem Abend durch Thomas Wieling (Betreuungsverein des SKF Ahaus) und Josef Rolvering (Betreuungsstelle des Kreises Borken) erörtert. Die Experten stehen auch für Fragen zur Verfügung und bieten Infomaterial mit Mustervorlagen für Interessierte an.
Ort: kult Westmünsterland
Teilnahme kostenlos, um Anmeldung unter Tel. 02861/681-1415 wird gebeten

Samstag, 14. Januar 2023, 14 Uhr
Führung: Garten der Ruhe
Auf Initiative der Bürgerstiftung Vreden wird der alte Friedhof an der Ostendarper Straße in Vreden, der seit dem Jahr 2000 nicht mehr als Begräbnisstätte genutzt wird, nach und nach in einen „Garten der Ruhe“ umgewandelt. In einem Rundgang werden die bereits verwirklichten und zukünftigen Pläne für den langfristigen Erhalt des Geländes als Gedenk- und Ruhestätte vorgestellt.
Ort: Garten der Ruhe, Ostendarper Str., Vreden
Kosten: 3 Euro pro Person, um Anmeldung bei der Bürgerstiftung unter Tel. 02564/950-8927 wird gebeten

Donnerstag, 19. Januar 2023, 19.30 Uhr
„Manchmal ist es federleicht – von kleinen und großen Abschieden“ Lesung mit Christine Westermann
In der Lesung erzählt die bekannte Autorin, Journalistin und „Zimmer frei“-Moderatorin von großen und kleinen Verlusten. Wie schwer wiegt der Abschied von einem Freund, von dem man sicher war, dass er einen überleben würde? Wie leicht kann es sein, eine Stadt, einen Wohnort hinter sich zu lassen, um neu zu beginnen? Wie schwer ist es, an sich selbst zu bemerken, dass Schönheit und Attraktivität verblassen? Anekdotenreich, ernst und selbstironisch zugleich erzählt Christine Westermann von Erfahrungen und Situationen, die ihre Wahrnehmung geschult und sie auf einen neuen Weg gebracht haben.
Ort: Stadthalle Rheder Ei, Rathausplatz 9, 46414 Rhede
Kosten: 10 Euro pro Person, Tickets unter www.reservix.de, bei der Tourist-Info Rhede und im kult Westmünsterland

Samstag, 21. Januar 2023, 10 – 14 Uhr
Workshop: Letzte Hilfe leisten
Am Ende wissen, wie es geht. Der Workshop des Ambulanten Paritätischen Hospizdienstes
vermittelt das „kleine 1×1 der Sterbebegleitung“: Das Umsorgen von schwerkranken und sterbenden Menschen am Lebensende.
Ort: kult Westmünsterland
Teilnahme kostenlos, max. 15 Personen, um Anmeldung unter Tel. 02861/681-1415 wird gebeten

Donnerstag, 24. Januar 2023, 17 Uhr
Hinter den Kulissen: Trauer Konkret
An diesem Tag gibt es die Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen der Aussegnungshalle zu werfen. Im Anschluss kommen die Teilnehmer mit einem Bestatter und einem Seelsorger ins Gespräch über Trauer, Abschied und Hoffnung.
Ort: Aussegnungshalle, Zwillbrocker Straße in Vreden
Teilnahme kostenlos, um Anmeldung unter Tel. 02861/681-1415 wird gebeten

Donnerstag, 26. Januar 2023, 14 Uhr
Führung über den Jüdischen Friedhof in Gronau
Treffpunkt: Jüdischer Friedhof, Vereinsstraße 70-72, Gronau
Teilnahme kostenlos, um Anmeldung unter Tel. 02861/681-1415 wird gebeten

Donnerstag, 26. Januar 2023, 19.30 Uhr
Organspende – Die Entscheidung zählt! Chancen und Herausforderungen in der Diskussion
„Organspende rettet Leben!“ – so ein bekannter Werbeslogan. Doch was bedeutet es, sich für
oder gegen eine Organspende zu entscheiden? Wie geht es Menschen, die auf ein Organ warten, im Wettlauf mit der Zeit? Wie sind die rechtlichen und die medizinischen Voraussetzungen und Abläufe bei einer Transplantation? All diese Fragen diskutieren wir mit einer betroffenen Angehörigen eines Organspenders, einem Organempfänger sowie der Transplantations- und Organspendebeauftragten der Uniklinik Münster.
Ort: kult Westmünsterland
Teilnahme kostenlos, um Anmeldung unter Tel. 02861/681-1415 wird gebeten

Fr/Sa/So, 27.-29. Januar 2023
Performance: „Zerbrechlichkeit“. WortSoundTanzCollage
Die TanzPoeten Henningsen/Ruddock/Goldschmidt nähern sich zusammen mit der ungarischen Sound-Poetin Kinga Tóth und der urbanen Tänzerin Maren Wittig mit „Zerbrechlichkeit“ in einer ritualisierten WortSoundTanzCollage dem Tabu- Thema „Tod“ an. Sie stellen die performative Frage: Könnte ein neu geschaffenes Tanz-, Musik- und Sprachritual die emotionalen „Leerstellen“, die Sprachlosigkeit, die wir beim Tod eines Menschen empfinden, ausfüllen oder überbrücken?
Orte: Stiftskirche St. Felicitas und kult Westmünsterland
Teilnahme kostenlos, Details zu Uhrzeit und Dauer unter www.kult-westmuensterland.de

Hintergrund:
Die meisten Menschen wünschen sich den Sekundentod nach einem langen erfüllten Leben. Der medizinisch-technische Fortschritt ist aber darauf ausgerichtet, Leben zu erhalten. Sterbende sollen immer mehr gegen Krankheit und den drohenden Tod ankämpfen. Oder was haben die vielen Todesanzeigen zu bedeuten, die da lauten: „Gekämpft, und doch verloren“? Die Kunst des Abschiednehmens fehlt.
Der schwerkranke Mensch und sein Sterbeprozess rücken immer mehr in den Mittelpunkt. Das war auch schon vor der Covid-19-Pandemie der Fall. Unheilbare Krankheiten schaffen ein größeres Bewusstsein für den Tod, die letzte Ruhestätte und die Zeremonie der Bestattung. Daran haben sowohl die Hospizbewegung als auch die AIDS-Selbsthilfegruppen ihren Anteil.

Fast jede:r hat direkte oder indirekte Erfahrungen mit dem Tod in der eigenen Familie oder dem Freundeskreis gemacht. Bis vor Kurzem unterlagen Friedhöfe und Grabmäler starken Regulierungen. In Deutschland gibt es eine starke Tendenz zur Planung der eigenen Bestattung, auch der Sterbeprozess wird immer mehr durch eigene Vorstellungen bestimmt.

Doch die Vorsorgepraktiken sind so alt wie die Menschheit. Anleitungen zum guten Sterben durchziehen die Geschichte der Menschheit. Das Spektrum der Vorstellungen ist dabei groß. Es reicht von der Idee, dass gute Werke und ein christlicher Lebenswandel im Himmel belohnt werden, bis hin zur Überzeugung eines vorherbestimmten jenseitigen Schicksals, auf das der Mensch keinen Einfluss hat.

Die Tradition der Aufbahrung und Totenwache ist nicht mehr weit verbreitet. Bis weit in die 1950er Jahre starben zumindest in ländlichen Regionen viele Menschen im Kreise ihrer Angehörigen zuhause. Heute wird vielfach die „Privatisierung“ des Todes attestiert. Viele erfahren das Sterben allein, in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Hospizen. „Der Tod wird aus der Gesellschaft verdrängt, so scheint es. Der Tod aus Altersschwäche ist in der modernen Medizin nicht mehr vorgesehen. Der größte Teil der Sterbefälle könnte problemlos zuhause stattfinden und die meisten Menschen möchten auch im eigenen Umfeld sterben. Tatsächlich aber stirbt die Mehrzahl von uns in Krankenhäusern“, so Burhenne.

Bis um 1900 nahmen die Bestattungsrituale ab. Bis dahin war das Begräbnis der Toten eine Angelegenheit der gesamten Gemeinde. Es wurde nun immer mehr zu einem individuellen familiären Ereignis. Die gesellschaftliche Individualisierung des Todes zeigt sich auch hier. In den 1960er Jahren sah man wegen des zunehmenden Verkehrs keine Leichenzüge auf den Straßen mehr. Die Toten wurden eingesargt und in die Totenhalle des Friedhofs geschafft. Noch im 20. Jahrhundert war Schwarz die dominante Farbe bei Beerdigungen. Frauen trugen schwarze Kostüme oder Mäntel, Männer dunkle Anzüge und eine schwarze Krawatte. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts wurde je nach Verwandtschaftsgrad gestaffelt eine bestimmte Trauerzeit eingehalten, in der noch Schwarz getragen wurde. Heute wird, wenn überhaupt, schwarze Kleidung nur noch zum Abschiedsritual auf dem Friedhof getragen.

Auch die Friedhofskultur wandelt sich. „Die Bestattungsgewohnheiten haben sich mit dem Bedeutungsverlust der bürgerlichen Familie, der Zunahme von Single- und Zwei-Personen-Haushalten und der zunehmenden beruflichen Mobilität geändert“, sagt Burhenne. „Die Bestattungs- und Friedhofskultur befindet sich Anfang des 21. Jahrhunderts in einem grundlegenden Umbruch. Friedhofsträger und Friedhofsverwaltungen sind gezwungen, auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren. Sie suchen nach alternativen Beisetzungsformen. Zur Auflockerung der herrschenden Routine trägt auch der Einfluss anderer Kulturen und Religionen bei. Noch nie war die Auswahl an Bestattungsmöglichkeiten so groß wie heute.“

Das Totengedenken dient als Teil der Trauerkultur dem Fortleben der Gemeinschaft und der Stabilisierung ihrer Werte. Erinnerung und Gedenken werden geformt. An Allerseelen gedenken Katholiken ihrer Toten, am Totensonntag die Protestanten. Seit den 1990er Jahren entstand mit den virtuellen Memorial Websites eine ganz andere Art von Totengedenken. Sie ist mit einer Individualisierung und Privatisierung von Trauerbekundungen und der Abkehr vom Friedhof als traditionellem Ort der Trauer verbunden.

„Abschied nehmen – Sterben, Tod und Trauer“ Eine Wanderausstellung des LWL-Museumsamtes für Westfalen
Kult – Kultur und lebendige Tradition, Kirchplatz 14 in 48691 Vreden, 20. November 2022 bis 29. Januar 2023

Weitere Stationen:
BauernhausMuseum Bielefeld: 05.02.2024-19.03.2023
Städtisches Museum, Herford: 26.03.2023-21.05.2023
RELiGIO, Telgte: 28.05.2023-23.07.2023
Mindener Museum: 29.07.2023-24.09.2023
Stadtmuseum Lippstadt / Galerie: 01.10.2023-26.11.2023
Museum Hexenbürgermeisterhaus, Lemgo: 03.12.2023-28.01.2024

Ölgemälde „Die Krankensalbung“, 1734 Original: Todesangstbruderschaft St. Georg, Vreden.

©  Stadtarchiv Vreden/A. Esseling

Haarbilder zur Erinnerung, um 1900, Leih-gaben des Südsauerlandmuseums, Museums für Kunst und Kulturgeschichte des Kreises Olpe in Attendorn sowie des Stadtmuseums

©  LWL/Kainulainen

Versehkreuz und Salbgefäß aus dem 18. Jahrhundert, Leihgabe des Stadtmuseums Lippstadt.

©  LWL/Kainulainen

Trauergäste in schwarzer Trauerkleidung mit Hüten und Zylinder in Münster-Nienberge 1974.

©  LWL-Archiv/Adolf Risse

Quelle: Kreis Borken

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