Protestmarsch: „Bearbeitungsstau bremst Pflege aus!“ 



Akten, Akten – Auf einem Bett vor dem Landeshaus des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) in Münster stapeln sich Aktenordner. Platz für einen pflegebedürftigen Menschen auf dem Bett: Fehlanzeige. Mit dieser bildstarken Protestaktion haben einige Diözesancaritasverbände darauf aufmerksam gemacht, dass die Versorgungssicherheit in der Altenhilfe nicht mehr gewährleistet werden kann. Rund 500 Menschen nahmen am Protestmarsch unter dem Motto „Bearbeitungsstau bremst Pflege aus!“ durch Münster und an der Demonstration vor dem LWL teil. Mit dabei auch zahlreiche Caritas-Beschäftigte aus Bocholt, Rhede und Isselburg (Foto). 

Ein wesentlicher Grund für die Situation ist nach Ansicht der Deomonstranten der Verhandlungs- und Bearbeitungsstau beim LWL. „Viele Träger in der Sozialwirtschaft stehen finanziell und personell unter hohem Druck. Schleichend werden Plätze in der Altenhilfe, den Krankenhäusern und den Einrichtungen der Eingliederungshilfe abgebaut, teilweise geschlossen, oder es gehen ganze Einrichtungen insolvent. Die Altenhilfe steht vor dem Kollaps“, sagte Diözesancaritasdirektor Dominique Hopfenzitz aus Münster bei der Protestaktion. „Als caritative Leistungserbringer machen wir uns daher große Sorgen über die Versorgungssicherheit im Bereich Gesundheit und Soziales“, betonte Hopfenzitz weiter. Zusätzlich zur oft nicht mehr umsetzbaren Vollauslastung vieler Einrichtungen aufgrund des Personalmangels gerate die stationäre Altenhilfe erheblich unter finanziellen Druck.

Die Diözesancaritasdirektorinnen Stefanie Siebelhoff (Essen), Pia Stapel (Münster) und Esther van Bebber (Paderborn) überreichten dem Vorsitzenden der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe, Klaus Baumann, eine Resolution zum Bearbeitungsstau in den Entgeltverhandlungen, in der es heißt: „Wir unterbrechen heute ihre Sitzung, weil die Einrichtungen der stationären Altenhilfe im Landesteil Westfalen-Lippe mit Blick auf ihre wirtschaftliche Situation immer mehr mit dem Rücken zur Wand stehen.“ Das betreffe nicht nur die Caritas, sondern die gesamte Freien Wohlfahrtpflege und auch die privaten Anbieter. Ihr Appell: „Wenn Sie die Versorgungssicherheit für die pflegebedürftigen Menschen im Landesteil Westfalen-Lippe gewährleisten wollen, müssen Sie jetzt handeln.“

Wegen des Bearbeitungsstaus von 343 Fällen im Landesteil Westfalen-Lippe (Stand: 15. Januar 2024) tragen die Pflegesätze die gestiegenen Personalkosten, Energiekostensteigerungen und die hohe Inflation nicht mehr. „In den Einrichtungen wächst die Liquiditätslücke auf Grund der noch geltenden veralteten Entgelte teilweise dramatisch. Die Personal- und Sachkosten steigen derweil weiter an“, heißt es in der Resolution. „In den Einrichtungen werden Bewohnerinnen und Bewohner aufgenommen, ohne dass ihnen gesagt werden kann, was ihr Pflegeplatz sie  kostet.“ Das löse eine große Unsicherheit aus.

Die Diözesancaritasdirektorinnen forderten deshalb vom Landschaftsausschuss, „dass die Bürokratie der Entgeltverhandlungen unverzüglich und grundlegend verschlankt wird, damit zukünftig eingereichte Kalkulationen fristgerecht abgearbeitet werden können und kein neuer Bearbeitungsstau entsteht“. Das Land habe darüber hinaus durch seine Gesetzgebung seit Jahren erheblich zu weiteren bürokratischen Hürden und Unklarheiten beigetragen. „Daher fordern wir den LWL, den LVR und die Verbände der Pflegekassen auf, gemeinsam mit den Leistungserbringern an die Gesetzgebung heranzutreten, um diese Bürokratie unverzüglich zu verschlanken, so dass hilfebedürftige Menschen auch in Zukunft Pflege und andere Hilfen zeitnah und mit Planungssicherheit erhalten können“, so die Diözesancaritasdirektorinnen.

Neben der zentralen Protestaktion vor dem LWL in Münster haben zeitgleich zahlreiche dezentrale Aktionen in den (Erz-)Bistümern Essen, Münster und Paderborn stattgefunden. Das Bild war immer dasselbe: Weitere mit Aktenordnern gefüllte Pflegebetten vor den 477 Altenheimen der Caritas. Zudem flatterte an zahlreichen Autos der 265 ambulanten Dienste der Caritas Absperrband oder Trauerflor als Zeichen dafür, dass schon bald vielleicht die Versorgung der alten Menschen stoppt.

Text: Caritas für das Bistum Münster / Carolin Kronenburg

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