36,5 Grad: Marco Büning – ständig Farbe im Kopf und an den Fingern
Auch wenn er mit Leidenschaft malt, voll Hingabe Projektideen entwickelt oder nach Michel-aus-Lönneberga-Art in der Zeit, in der die Farben trocknen müssen, Holzfiguren schnitzt, hier und da bricht der gelernte Kaufmann durch. Im ersten Leben, direkt nach seinem Grund- und Hauptschulbesuch in der Bocholter Giethorst und dem Abschluss an der Höherer Handelsschule, war Marco Büning nämlich Einrichtungsberater im Möbelhandel. Kunst war für ihn damals die schönste Nebensache der Welt. Das änderte sich, als ihm der Almanach „Der blaue Reiter“ in die Hände fiel. „Das war die Initialzündung“, erinnert sich der 44-Jährige.
Fortan waren Wassily Kandinsky und Franz Marc seine Vorbilder. Marco Büning malt seitdem abstarkt. Der Expressionismus ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Ständig hat er Farbe im Kopf und an den Fingern, wie der Bocholter auf seiner Webseite verrät. Gelernt hat er von anderen Malern. „Deshalb würde ich mich nicht unbedingt als Autodidakt bezeichnen“, so Marco Büning. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit gibt er Kurse an der VHS oder leitet Projektgruppen an Schulen.
Seine Bilder stellt der 44-Jährige in seiner Galerie am Crispinusplatz aus. Wie lange sie dort noch zu bewundern sind, weiß der Bocholter selbst nicht. Denn Marco Büning ist – positiv gemeint – ein „Mietnomade“. Er sucht gezielt leerstehende Lokale und bezieht diese für vergleichsweise kleines Geld. Im Gegenzug passt er auf, zeigt Interessenten die Immobilie, öffnet Handwerken jederzeit die Tür und ist bei Bedarf innerhalb weniger Tag wieder spurlos verschwunden. Davon hat am Ende auch der Vermieter etwas.
In Sachen Finanzen ist Marco Büning ebenso konsequent. Preise für seine Bilder berechnet er nach Gefühl und nicht nach Quadratzentimeter Leinwandfläche. Und verliehen wird nichts. „Es kommen immer mal wieder Ärzte, die meinen, ich solle meine Bilder kostenlos in ihrer Praxis aufhängen und ein Schildchen dranmachen, denn das sei ja dann schließlich kostenlose Werbung. Dann frage ich immer, ob sie im Falle eines Beinbruches auch auf ihr Honorar verzichten würden, wenn ich ein Schildchen an den Gips und so für sie kostenlos Werbung machen würde“, berichtet der Bocholter augenzwinkernd.
Mit einer ähnlichen Schlitzohrigkeit hat er das Projekt „1000 Küsse“ entwickelt. Dabei werden Paare gebeten, sich auf eine kleine Leinwand zu stellen und zu küssen. Dann werden sie fotografiert. Danach müssen die Protagonisten mit speziellen Stiften etwas auf der Leinwand hinterlassen. So entsteht Schritt für Schritt ein abstraktes Gemälde. Das landet kurz vor Weihnachten bei einem Kunstliebhaber, der das Gesamtwerk zu Gunsten des Kinderschutzbundes ersteigern kann. Die Fotos der 1000 Küssenden wiederum landen auf Facebook sowie im Internet und machen so auf den Erfinder aufmerksam. Neudeutsch nennt man so etwas wohl eine Win-Win-Situation. Klappern gehört eben nicht nur zum Handwerk!
Diesen Teil unserer Serie 36,5 Grad finden Sie auch in der aktuellen Ausgabe des Magazins PAN.