Best-Practice-Projekt: Mehr als 700 Freiwillige engagieren sich in der Bocholter Corona-Hilfe



Ebenso unbemerkt, so wie sich anfangs Covid-19 einschlich, ist in Bocholt eine riesige Helferbewegung entstanden. Begonnen hatte es mit einer einfachen Facebookgruppe vor kaum drei Wochen. Inzwischen sind über 700 Ehrenamtliche vernetzt. .„In diesen turbulenten Zeiten sind Zusammenhalt und Solidarität entscheidende Werte, um die Krise zu meistern. Die Stadt Bocholt dankt den Verantwortlichen sowie allen Helferinnen und Helfern und unterstützt dieses phantastische Engagement. Daumen hoch!“, lobte unlängst Bürgermeister Peter Nebelo die Gruppe. Die hat es inzwischen sogar als Best-Practice-Projekt auf eine Seite der Landesregierung geschafft.
Anfangs ging es darum klarzumachen, dass es sich bei Covid-19 um eine echte Bedrohung handelt. Die Menschen verhielten sich einfach zu leichtfertig. Dann wurde ihm klar, dass Information alleine nicht ausreichte. Echte, reale Hilfe musste her. Drei Tage nach Gründung der Facebook-Gruppe durch Jens Steverding wird Anne Beckmann auf sie aufmerksam. Wie so vielen Bocholtern hat Covid-19 ihr eine Reise vermasselt, und sie hat ungeplant Zeit, sich zu engagieren. Aber zu zweit ist das nicht zu schaffen. Stefanie Niehaus und Marén Korhammer sind sofort dabei, als Anne Beckmann ihnen von dem Projekt erzählt. Ab da agiert das Team zu viert, einzelne Aufgabenbereiche werden verteilt. Der Ablauf der Hilfe ist dabei wie folgt: Der Hilfesuchende kontaktiert die Hotline 02871-287381, schildert seine aktuelle Situation und welche Hilfeleistung erforderlich ist und hinterlässt Adresse und Telefonnummer. Damit suchen die Helfer an der Hotline nach einem geeigneten Helfer. Bisher werden hauptsächlich Einkäufe benötigt, Botengänge zu Apotheken, und natürlich müssen die Vierbeiner der betroffenen Personen ausgeführt werden. Manchmal werden auch Tests gebracht und abgeholt. Pflegerische Tätigkeiten, wie z.B. das Anlegen von Stützstrümpfen, bleiben jedoch selbstverständlich den Pflegediensten vorbehalten.
In dem Maße, wie die Helferschaft wächst, merkt das vierköpfige Orga-Team. Inzwischen haben unzählige Helfer ihre Mitarbeit angeboten. Mit Indra, Regina, Jacqueline, Karin, Sonja, Birgit und Esther werden Personen ausgewählt, die dem Kernteam oder dem Leiter der Freiwilligenagentur (der ihnen vorsichtig und geschickt organisatorische Stolpersteine aus dem Weg räumt) persönlich bekannt sind. Die werden online über ein Videokonferenz-Tool geschult und wissen, dass sie eine hohe Verantwortung tragen, wenn sie die Helfer vermitteln.
In den ersten Tagen der Hotline haben sie aus jedem Fall gelernt und sich neu aufstellen müssen. Inzwischen haben sie aber viele andere Helfer-Netzwerke integriert, die ihnen spezifische Aufgaben abnehmen. An die Besuchshunde, ein Team aus 26 Ehrenamtlichen, die vorher alte Menschen mit ihren Vierbeinern besucht haben, aber das jetzt nicht mehr können, vermitteln sie z.B. alle Anfragen, die sich darum drehen, die Hunde der betroffenen Menschen auszuführen. Sie haben eine Hundetrainerin im Team, die den Erstkontakt zum neuen Hund begleitet und seit einigen Tagen sogar eine Corona-positive, aber wieder gesundete Helferin im Team. Das ist wertvoll, denn eine kontaktfreie Übergabe eines fremden Hundes von einem potenziell corona-positiven Hilfesuchenden ist fast gar nicht möglich.
So haben wir z.B. begonnen zu recherchieren, welche Händler und Gastronomen in ihrer Not einen Lieferservice angeboten haben. Viele Bocholter wissen noch gar nicht, dass sie zwar nicht mehr ins Restaurant gehen können, aber auf die leckeren Speisen dennoch nicht verzichten müssen. “In einigen Fällen hat unsere telefonische Anfrage nach so einem Service sogar erst dazu geführt, dass der Wirt darüber nachgedacht hat, einen solchen Service anzubieten oder über die Stammkundschaft hinaus zu erweitern”, berichtet Anne Beckmann.
Ein weiteres Projekt “Gutscheine als Mikrokredit” ist bereits in der Planung bei der Coronahilfe Bocholt. “Auch hier gehen wir davon aus, dass uns Stadtmarketing oder Wirtschaftsförderung unterstützen werden. Auch, wenn sie noch gar nichts davon wissen, denn wir sind so schnell, dass wir kaum schaffen zu kommunizieren, was sich unsere Helfer gerade alles ausdenken und umsetzen”, berichtet Anne Beckmann, deren Aufgabe es ist, sich mit den städtischen Stellen organisatorisch abzustimmen.
“Ich empfehle sehr, einfach unsere neue Website www.coronahilfe-bocholt.de <www.coronahilfe-bocholt.de/> im Auge zu behalten, die heute online geht, denn dort werden wir sukzessive alle Aktivitäten öffentlich dokumentieren”, sagt Marén Korhammer, die alle grafischen Aufgaben der Gruppe erledigt. Auch sie muss sich und ihre Familie schützen, arbeitet aber am Rechner unermüdlich für die gute Sache.

Besonders interessant ist, dass die Protagonisten sich seit Beginn ihrer Hilfsarbeit nie persönlich getroffen haben. Sie arbeiten völlig digital. Das geht auch gar nicht anders, denn die Informationslage ändert sich allzu schnell. Alle sitzen in ihren eigenen Bocholter Home-Offices und sind vernetzt. Abends “treffen” sie sich häufig, quatschen und trinken dann was zusammen – mit der Webcam in einem virtuellen Raum natürlich…
“Das ist möglicherweise der beeindruckendste Aspekt der Art der Zusammenarbeit und wird seine positiven Effekte noch lange in die Zukunft haben. Wir arbeiten plötzlich mit allen Helfern und auch den städtischen Stellen voll digital zusammen und stellen überrascht fest, wie einfach das doch alles ist. Einfach, weil es nicht anders geht…”, resümiert Anne Beckmann.
Ihr Sohn Philipp beobachtet das derweil ziemlich gelassen. Mit 22 Jahren ist er ein Digital Native und findet das alles ganz normal. Immer wieder gibt er ihr wertvolle Tipps, wie man sich digital am besten organisiert. Weit davon entfernt, ein Nerd zu sein, hat er dennoch das technische Setup der Gruppe erstellt und kann die digitale Arbeitsweise, die für ihn selbstverständlich ist, mit wenigen Worten super erklären.
So sind aus der Not heraus auf Basis digital vernetzter Zusammenarbeit bereits tolle Dinge entstanden. Und werden weiter entstehen…

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