Haushaltsrede 2023 – Bärbel Sauer (Soziale Liste)



Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

als gewählte Stadtverordnete für die Soziale Liste Bocholt stehe ich für eine gerechte Verteilung der Haushaltsmittel. Dazu ein paar Ausführungen:

Stichwort „Haushaltsdefizit“

Bocholt lebt zunehmend von seiner Substanz: Sanierungsbedürftige Radwege, marode Schulen, zu wenig Kitaplätze, zu wenig bezahlbarer Wohnraum und wegen fehlenden Brandschutz geschlossene und nicht genutzte öffentliche Gebäude sind zum Normalzustand geworden.

Es ist Aufgabe des Rates und der Stadt, diese Mangelverwaltung endlich zu beenden und stärker in die Zukunft unserer Stadt zu investieren.

Wir haben ein Haushaltsdefizit von rund 30 Millionen Euro. Auch wenn dieses Defizit größtenteils hausgemacht ist, muss das Land die Kommunen finanziell besser unterstützen und entlasten. Auch der Bund ist hier gefordert.

Stichwort „Schulen“

Mit dem Euregio-Gymnasium müssen wir leider noch ein paar Jahre warten, bis die Schülerinnen und Schüler wieder in festen Räumen unterrichtet werden können. Bis zum Jahr 2028 sind es noch fünf Jahre. Seit 2020 wird dort in Containern unterrichtet. Es ist nicht ausgeschlossen, dass jemand während seiner Schulzeit auf diesem Gymnasium ausschließlich im Container verbringt – und dort nie in einem Schulgebäude unterrichtet wird. Das kann ich nicht für gutheißen und so was darf nie wieder passieren. Deshalb müssen unsere Schulen regelmäßig auf dem neuesten Stand gehalten werden. Dafür muss Geld in die Hand genommen werden.

Denn gute Bildung erfordert auch ordentliche und intakte Schulen.

Stichwort „Innenstadt“

Allein die Innenstadt ist und bleibt ein Sanierungsfall. Natürlich gibt es Probleme mit der Kaufkraft. Doch mehr Besucherinnen und Besucher und mehr Umsatz wäre möglich, wenn die Innenstadt attraktiver und lebendiger werden würde. Dazu liegen viele Ideen auf dem Tisch. Verwaltung und Politik sind gefordert, verbindlich und schnellstmöglich die Innenstadt-Probleme anzugehen und dieses Thema ganz oben auf die Prioritätenliste zu setzen.

Auch Fördermittel müssen für den Innenstadt-Kern verwendet werden, statt diese Gelder für Kubaai oder das Rathaus einzusetzen.

Stichwort „Neutorplatz“

Neben dem Herzstück Historisches-Rathaus gehört auch der Neutorplatz zum Kern der Innenstadt.

Mehr als 1000 Bürgerinnen und Bürger haben bereits dafür unterschrieben, dass auf dem Neutorplatz mehr Grün, mehr Bäume und mehr Sitzbänke hinkommen müssen. Die von uns initiierte Unterschriftenaktion werden wir im Januar fortsetzen. Hier muss man abwägen zwischen den Interessen der Stadtsparkasse und von P&C und den Interessen und das Wohl der Bürgerinnen und Bürger und dem Klimaschutz.

Ich habe kein Verständnis dafür, dass diese wichtige Sache ignoriert wird. Denn es geht hier um unsere Innenstadt, die durch ein paar kleine Maßnahmen erheblich verbessert werden könnte. Ich erinnere mich noch gerne daran, als der Neutorplatz im Rahmen der Aktion „Stadtgärten“ und der 800-Jahr-Feier bepflanz wurde. Die Stadtbesucherinnen und Besucher zeigten sich sehr begeistert über die Aktion und konnten so sehen, wie der Neutorplatz grüner und attraktiver gemacht werden kann.

Wir bleiben auf jeden Fall an dem Thema dran.

Stichwort „Werbekampagne zur Rathaus-Sanierung“

Der Antrag der Grünen hat bewirkt, dass nun seitens der Verwaltung eine Werbekampagne zur Rathaus-Sanierung durchgeführt wird. Wenn auch die beantragten 15.000 € dafür nicht in den Haushalt eingestellt werden, so fallen dafür trotzdem weitere Kosten und Personalressourcen an. Somit verteuert sich die Rathaus-Sanierung abermals.

Ich frage mich, wie ernst die Bürgerinnen und Bürger genommen werden, wenn ihre Kritik nun durch eine Werbekampagne zerstört und alles schön geredet werden soll.

Denn die tausendfache Bürger-Kritik an der Rathaus-Sanierung ist berechtigt.

Stichwort „Radwege“

Ich bin davon überzeugt, dass in der Bürgerschaft kein Verständnis darüber besteht, wenn jetzt zwar der Radweg im Bereich des Textilmuseums an der Uhlandstraße erneuert wurde, jedoch die Radwege außerhalb des Bereichs an der Uhlandstraße im alten Zustand bleiben. Entlang der gesamten Uhlandstraße besteht Handlungsbedarf für die Erneuerung der Radwege – und nicht nur im Bereich des Großprojekts Kubaai.

Leider will auch niemand so richtig wahr haben, dass die Radwege in Bocholt insgesamt saniert werden müssen. Stattdessen wird allzu gerne auf das Mobilitätskonzept verwiesen. Aber was nützt es, wenn man ein Mobilitätskonzept hat, was dazu nichts aussagt.

Neben einem Mobilitätskonzept gibt es auch noch viele andere Konzepte. Interessant ist, sobald etwas an Verbesserungen gefordert wird, wird auf die Konzepte verwiesen. Die Folge ist, dass dadurch in vielen Bereichen ein Stillstand erzeugen wird.

Stichwort „Holzbrücken“

Für die übergroße Stahlbrücke auf dem Kubaai-Gelände wurden rund 2,5 Millionen Euro auf den Tisch gelegt. Davon hat die Stadt Bocholt knapp 1 Million Euro übernommen. Dies war damals eine reine Steuergeldverschwendung. Denn Fußgänger und Fahrradfahrer hätten dort den Aasee auch überqueren können, wenn die Brücke einige Nummern kleiner ausgefallen wäre.

Holzbrücken hingegen wurden nicht im erforderlichen Maße regelmäßig gewartet oder erneuert. Erst nachdem dieses Thema immer wieder angesprochen wurde, kam nun endlich Bewegung in die Sache. Dennoch wurden jetzt einige Brücken wieder mit einem „Sperrvermerk“ versehen. Grünanlagen haben offenbar nicht den Stellenwert, wie manche Prestigeobjekte und fallen nun dem Rotstift zum Opfer. Dagegen wehren wir uns. Wer auf seine Stadt und auf die Außenwirkung was hält, muss dieses Problem angehen, statt es an die Seite zu schieben.

Stichwort „Aasee-Insel“

Für sehr erfreulich halte ich die einstimmige Beschlussfassung zur Aasee-Insel in der letzten Haupt- und Finanzausschusssitzung. Somit wird sich nun der zuständige Fachausschuss mit dieser wichtigen Thematik beschäftigen. Auch mit meinem neuerlichen Antrag habe ich mich abermals eindeutig dafür ausgesprochen, dass diese Insel wieder nutzbar gemacht wird. Die Grüne-Fraktion hatte hierzu ebenso einen Antrag eingereicht. Fünf Wochen zuvor hatten sich noch alle Fraktionen geschlossen gegen meinen Antrag dazu ausgesprochen. Die erforderlichen Maßnahmen und Finanzierung gilt es nun hinzubekommen, damit die Aasee-Insel für alle Besucherinnen und Besucher schnellstmöglich wieder geöffnet wird.

Stichwort „Bezahlbarer Wohnraum“

Wir brauchen dringend mehr bezahlbaren Wohnraum. Dabei auf die Aktivitäten der Heimbau zu verweisen, löst dieses Problem nicht. Natürlich sind wir darüber erfreut, dass die Heimbau viele neue bezahlbare Wohnungen hinter der Don-Bosco-Siedlung errichten will. Dies haben wir auch so zu Planungsbeginn öffentlich kundgetan.

Allerdings schmerzt es für die Bewohnerinnen und Bewohner an der Wagenfeldstraße, die alle mit ihren Familien ihre Wohnungen verlassen müssen, weil dort das Hochhaus abgerissen wird und ein noch größeres Hochhaus, genannt Atea, an gleicher Stelle entstehen soll. Bezahlbarer Wohnraum wird so quasi vernichtet.

Von meiner Terrasse aus kann ich sehen, wie dort nach und nach bei den 32 Familien die Lichter ausgehen. Es ist eine Schande.

Das neue Hochhaus mit 82 Wohneinheiten und Geschäftsräumen wird knapp 50 Meter hoch. Es ist überdimensional und passt nicht zur dortigen Wohnstruktur im Bocholter Osten. Bei einer Hochhaus-Höhe von fast 50 Metern frage ich mich zudem, was ist mit Sicherheitsvorkehrungen für den Katastrophenfall?

Wir sollten uns nicht blenden lassen, denn investiert in solchen Projekten wird nicht aus Nächstenliebe, sondern um Gewinne zu erwirtschaften.

Wohnungsbeschaffung, vor allem bezahlbarer Wohnraum, ist eine kommunale Aufgabe. Eine städtische Wohnungsbaugesellschaft macht es möglich, dass Ganze zu steuern und preiswerten Wohnraum zu schaffen.

Daher muss eine stadteigene Wohnungsbaugesellschaft her.

Stichwort „Ewibo“

Waren es bei der Ewibo im Jahr 2021 noch mehr als 140 Beschäftigte sind es heute nur noch 79 Beschäftigte. Im Zuge der Neuausrichtung sind somit rund 60 Beschäftigte auf der Strecke geblieben – und das in nur knapp zwei Jahren.

Unabhängig davon, wie die Arbeitsverhältnisse beendet wurden, wäre in diesem Fall ein Interessensausgleich und Sozialplan erforderlich gewesen. Dazu verweise ich auf den Gesetzgeber, in diesem Fall auf das Betriebsverfassungsgesetz.

Wenn ich das nämlich richtig deute haben die Umstrukturierungsmaßnahmen die Auswirkung, dass die 60 Beschäftigten heute nicht mehr da sind. Denn, was soll sonst dafür der Grund sein.

Die Stadt als Gesellschafter hat gegenüber diesen Betroffenen eine soziale Verantwortung. Allein der Verlust des Arbeitsplatzes – und dann noch wegen der Maßnahmen – hat für den Einzelnen immer Nachteile. Genau hier setzt ein Sozialplan an, der die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor den wirtschaftlichen Nachteilen einer Betriebsänderung schützt, zum Beispiel durch Zahlung einer Abfindung.

Daher hoffe ich auf Aufklärung und Informationen seitens des Bürgermeisters darüber, ob entsprechende Maßnahmen mit dem Betriebsrat bei der Ewibo vereinbart wurden?

Dies fällt nicht unter Geheimsache, auch der Datenschutz steht nicht dagegen. Interessant wäre auch, wie de Aufsichtsrat es sieht?

Stichwort „Staatsanwaltliche Ermittlungen“

Bocholt hofft und wartet darauf, dass die Staatsanwaltschaft Bielefeld nun endlich bald die Ermittlungsergebnisse öffentlich macht und Anklagen erhebt in Sachen Korruption und Untreue, sofern sich die Tatbestände bewahrheiten sollten.

Solange die Ermittlungen nicht abgeschlossen sind, liegt über Bocholt eine schwarze Wolke, die unserer Stadt nicht guttut.

Geflüchtete

Hinsichtlich dem „Takenkamp“ bin ich nach wie vor der Meinung, dass es nicht zu einem Bürgerbegehren und Bürgerentscheid gekommen wäre, wenn der Verwaltungsvorstand vorher – und zwar bei der Abstimmung im Rat am 29. März 2023 die weiteren möglichen 13 Standorte offenbart hätte. So wäre es möglich gewesen, den Standort „Takenkamp“ etwas zu entzerren, statt alle geplanten 250 Geflüchteten dort unterzubringen.

Der vorliegende Antrag der CDU Fraktion ist übrigens dazu keine Lösung. Daten zu erheben, etwa nach dem Herkunftsland, verschärft nur die Asyldebatte und ist wieder mal nur Futter für rechte Propaganda. Den Antrag der CDU Fraktion lehne ich daher ganz klar ab.

Stichwort „ÖPNV“

Die Finanzierung für den Nordring halte ich nicht mehr für zeitgemäß. Alternativ dazu halte ich mehr davon, den ÖPNV auszubauen bis hin zu einer echten Verkehrswende.

Die Widerherstellung der Zugverbindung über Rhede in Richtung Münster ist genauso erforderlich. Sobald die überarbeitete Machtbarkeitsstudie dazu vorliegt, muss eine schnelle Umsetzung erfolgen. Technisch kann die Bahn in Richtung Münster in rund vier Jahren wieder rollen. Denn es kann nicht sein, dass Bocholt noch länger von der Außenwelt abgehängt wird.

Stichwort „Bürgergeld“

Bei der Gelegenheit appelliere ich an sie alle hier darauf aufzupassen, dass die Bundestagsfraktionen in Sachen Bürgergeld nicht umfallen! Es ist allmählich nicht mehr auszuhalten, auf welches Niveau diese Diskussion geführt wird.

Das Ziel ist ganz offensichtlich, nämlich die Gesellschaft weiter zu spalten. Und den Sozialstaat kaputtzumachen.

Hartz IV, was sich heute Bürgergeld nennt, und die angekündigte Erhöhung ist nichts anderes als ein Inflationsausgleich, der zuletzt völlig unzureichend war. Die aktuell abflachende Inflationsrate als Begründung für Kürzungen heranzuziehen, wie es Herr Merz von der CDU tut, ist unsachlich und völlig daneben. Jahrelang wurden die Beträge nicht angehoben und lagen weit unterhalb der Armutsgrenze.

Und: Hinsichtlich der Löhne ist es auch nicht so, dass das Bürgergeld zu hoch ist, sondern die Löhne fallen zu klein aus. Daher: Hände weg vom Bürgergeld!

Zum Schluss bedanke mich bei allen Beschäftigten in der Verwaltung, die zum reibungslosen Ablauf der Ratssitzungen und Ausschusssitzungen beigetragen haben.

Vielen Dank!

Bärbel Sauer Stadtverordnete

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert