Stichwahl-Abschaffung beschert Bocholt den spannendsten Urnengang der Geschichte



Von BERTHOLD BLESENKEMPER

Es könnte die wohl spannendste Wahl in der Geschichte Bocholts werden. Denn im Herbst 2020 bekommt die Stadt eine/n neue/n Bürgermeister/-in. Schon jetzt gibt es offiziell vier Bewerber. Weitere Kandidatinnen und Kandidaten sollen Gewehr bei Fuß stehen. Erstmals wird nach einer von CDU und FDP im Landtag verabschiedeten Gesetzesänderung gewinnen, wer bereits beim ersten Urnengang die einfache Mehrheit erzielt. 25 Prozent oder knapp mehr – statt wie bisher 50 Prozent und 1 Stimme – könnten dann für den Sieg reichen. „Das ist keine ausreichende demokratische Legitimation“, kritisieren die Sozialdemokraten und Grünen in NRW. Sie haben deshalb in diesen Tagen Verfassungsklage gegen die Abschaffung der Stichwahl eingereicht.

2009 hatte die SPD schon mal eine ähnliche Normenkontrollklage erhoben – und war damals gescheitert. Deshalb hat sie sich diesmal die Unterstützung des renommierten Staatsrechtlers Martin Morlok gesichert. Das berichtet der WDR. Morlok beruft sich auf die sich rasant ändernde politische Landschaft. War eine Bürgermeisterwahl früher oft ein Zweikampf zwischen Kandidatinnen und Kandidaten der großen Parteien CDU und SPD, so haben inzwischen auch grüne und freie Bewerberinnen und Bewerben sehr gute Chancen.

Die Befürworter der Stichwahl berufen sich auf ein Beispiel in Wiesbaden. Dort lagen im ersten Wahldurchgang Gerd-Uwe Mende (SPD) mit 27,1 Prozent, Eberhard Seidensticker (CDU) mit 24,5 Prozent und Christiane Hinninger (Die Grünen) mit 23,4 Prozent nur wenige tausend Stimmen auseinander. Erst die Stichwahl brachte mit 62 Prozent ein klares Votum für Mende. Und diese breite Unterstützung brauche ein Bürgermeister auch, wenn er sowohl in der Stadtverordnetenversammlung als auch in der Verwaltung als direkt gewählter Vertreter der Bürger in erste Linie deren Interessen und nicht etwa die einer Partei durchsetzen will, meinen die Befürworter der Stichwahl.

Dem halten die Gegner entgegen, dass eine gewöhnlich zwei Wochen nach dem ersten Urnengang stattfindende Stichwahl nicht nur sehr aufwändig und teuer ist, sondern oft auch an einer nur mangelhaften Beteiligung leidet. Nun haben die Richterinnen und Richter das letzte Wort. Mit einer ersten mündlichen Verhandlung wird in diesem Herbst gerechnet.

Lesen Sie morgen an dieser Stelle: „Die bisherigen Bewerber – ihre Stärken, ihre Schwächen“

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